Wieso ging(en) in ganz West- und Mitteleuropa die Keltische Kultur(en) unter?

Das AiD Heft findet es immerhin bemerkenswert.
Die Formulierung "wahrlich kein Wunder" triffts demnach auch nicht.

Bemerkenswert finde ich es auch, als kleines Indiz für die einsetzende Germanisierung der romanischen Bevölkerung im 6. Jahrhundert. Aber eben kein Wunder.

Ich bin über mittag schnell nach Hause gefahren, und habe die germanischbenamste Moselromanin nachgeschlagen, die Brestereien "4. Nachfrage usw." zu beenden.

Dafür an dieser Stelle meinen herzlichen Dank. Nachdem Du eigentlich vergangene Nacht nachschlagen wolltest, habe ich mir erlaubt, noch einmal nachzuhaken.

Ich bin hingegen schnell zur Bibliothek gefahren und habe mir das Buch Dieter Geuenich, Wolfgang Haubrichs und Jörg Jarnut (Hrsg.), Nomen et gens - Zur historischen aussagekraft frühmittelalterlicher Personennamen, Berlin/New York 1997 zu Gemüte geführt (der von Dir verlinkte Pressetext ist z. T. wörtlich aus diesem Buch abgeschrieben). Demnach kann von einer "Abschußliste" keine Rede sein. Die Leute schreiben ja nicht Hunderte von Seiten über die historische Aussagekraft frühmittelalterlicher Personennamen und starten ein riesiges Forschungsprojekt mit Konferenzen und allem Drum und Dranhalten, wenn sie wie Du überzeugt wären, daß die Personennamen keinerlei Aussagekraft hätten und komplett ignoriert werden könnten.

Diese Wissenschaftler haben nämlich ernsthaft vor, anhand der Personennamen nicht nur Romanen und Germanen voneinander zu unterscheiden, sondern anhand der Personennamen sogar Alemannen, Langobarden, Franken etc. voneinander zu unterscheiden. Wie ich schon oft wiederholt habe, läßt sich anhand eines Einzelnamens keine zuverlässige Aussage über den einzelnen Träger treffen, aber darum geht es ja gar nicht. Der Trend ergibt sich erst aus einer Fülle von Daten. Daher gibt es ja auch mittlerweile eine
Datenbank mit 400.000 Einträgen

* * *

Ach so, eins noch.
Ab ca. 600 sind in Deutschland keine Romanen mehr archäologisch fassbar.
Quelle nochmals das AiD Sonderheft zur Völkerwanderung.

Dafür gilt dasselbe, was ich Dem Geist zum Thema "Kelten" geschrieben habe:

"Latène" bezeichnet die keltische Sachkultur. Auch wenn diese mit der Ankunft der Römer schnell verschwindet, heißt das ja nicht, daß nicht weitere Reste keltischer Kultur, z. B. die keltische Sprache, noch einige Generationen erhalten geblieben sein können.

Die romanische Sprache links und rechts des Rheins läßt sich in vielen Gebieten auch noch nach 600 nachweisen:

- Moselromania: Romanisch um 1200 ausgestorben
- Romaneninsel um Mayen: "Romanität über das 8. Jahrhundert hinaus"
- Prümer Romanen: "Nebeneinander von Romanen und Germanen ... zur Karolingerzeit"
- Romaneninsel um Saint-Avold: "im 8. Jahrhundert zumindest noch Spuren der Romanen"
- Romanen der Westricher Hochfläche "vermutlich noch im 7. Jahrhundert"
- Hochwaldromania: "bis in das 9. Jahrhundert hinein sprachlich intakt geblieben"
- Mittelrheinische Romanen: "chronologisch gestaffelter Verfall dieser Sprachinsel ... vielleicht in der Kernzone von Boppard im 8./9. Jahrhundert"
- Mainz und Umgebung: Germanisierung im 7./8. Jahrhundert
- Mittlerer Schwarzwald: Assimilation der Romanen "im 9., vielleicht sogar erst im 10. Jahrhundert abgeschlossen"
(Zitate nach Kleiber/Pfister)
 
Mal ewas seriöses zu den Kopfzahlen der "wandernden" Völker von Altmeister Delbrück
Irgend eine Durchschnitts- oder Normalzahl für die verschiedenen Völkerschaften, die uns begegnen, anzunehmen, ist daher unmöglich. Nur soviel ist gewiß, daß wir niemals über 15000 Krieger bei einem der wandernden Volksheere hinausgehen dürfen. 15000 Krieger setzen mit Weibern und Kindern wenigstens 60000, mit den Sklaven um die 70000 Köpfe voraus. Das ist eine Masse, die sich schon nicht mehr einheitlich bewegen kann; sie muß in verschiedene Staffeln oder auf verschiedene Wege verteilt werden, und da die Krieger von ihren Familien und Wagen nur vorübergehend abzutrennen sind, so bedarf es der höchsten Aufmerksamkeit und Umsicht der Führung, um sie für einen Schlachttag wirklich alle annähernd zu vereinigen und beisammen zu haben. Meist werden die Heere nur halb oder drittel so stark gewesen sein
Quelle:

Wenn man da die Bevölkerung allein der Stadt Köln dagegensetzt
im Jahr 340 allein 15.000 (Mainz, Trier, Yanten usw. usf. hatten auch eine Zahl Einwohner)die ankommenden Germanen dagegen max 80.000 mit allem drum und dran.
Delbrück geht bei der Bevölkerung des römischen Reiches von 100 bis 150 Millionen Menschen insgesamt aus.
"Irgendwoanders" hingezogen ist die indigene Bevölkerung nicht, mindestens hat man sie nirgends gefunden. Massengemordet wurde sie auch nicht, derweil die notwendigen Gräber fehlen. Im Weltall verschwunden auch nicht (mal wieder Däniken lesen, mit dem umgekehrten Weg müsste doch auch Kohle zu machen sein "Erinnerung an die Vergangenheit oder wie die Rheinromanen zum Mars zogen:devil:")
Was bleibt als Erklärungsmuster? Westlich der späteren Sprachgrenze waren die romaisierten Kelten und die Romanen in der überzahl, östlich davon auch, nur waren sie zumindest sprachlich lange nicht so romanisiert.

Die romanische Sprache links und rechts des Rheins läßt sich in vielen Gebieten auch noch nach 600 nachweisen:

- Moselromania: Romanisch um 1200 ausgestorben
- Romaneninsel um Mayen: "Romanität über das 8. Jahrhundert hinaus"
- Prümer Romanen: "Nebeneinander von Romanen und Germanen ... zur Karolingerzeit"
- Romaneninsel um Saint-Avold: "im 8. Jahrhundert zumindest noch Spuren der Romanen"
- Romanen der Westricher Hochfläche "vermutlich noch im 7. Jahrhundert"
- Hochwaldromania: "bis in das 9. Jahrhundert hinein sprachlich intakt geblieben"
- Mittelrheinische Romanen: "chronologisch gestaffelter Verfall dieser Sprachinsel ... vielleicht in der Kernzone von Boppard im 8./9. Jahrhundert"
- Mainz und Umgebung: Germanisierung im 7./8. Jahrhundert
- Mittlerer Schwarzwald: Assimilation der Romanen "im 9., vielleicht sogar erst im 10. Jahrhundert abgeschlossen"
(Zitate nach Kleiber/Pfister)

Dass Sprachen als "Herd- und Küchensprache" die Jahrhunderte überdauern können, dafür gibt es ausreichend Nachweise.
Der "Spaten" jedenfalls findet ab 600 nichts "Romanisches" mehr.
 
Mal ewas seriöses zu den Kopfzahlen der "wandernden" Völker von Altmeister Delbrück
[...]
Irgend eine Durchschnitts- oder Normalzahl für die verschiedenen Völkerschaften, die uns begegnen, anzunehmen, ist daher unmöglich. Nur soviel ist gewiß, daß wir niemals über 15000 Krieger bei einem der wandernden Volksheere hinausgehen dürfen. 15000 Krieger setzen mit Weibern und Kindern wenigstens 60000, mit den Sklaven um die 70000 Köpfe voraus.

Ich nehme an, Delbrück spricht hier von den "wandernden Volksheeren" der Goten, Vandalen oder Langobarden, die als geschlossener Haufen Tausende von Kilometer weit wanderten. Das trifft auf die Situation am Rhein nicht zu. Weder die Franken noch die Alemannen sind mit einem Schlag und als geschlossene Gruppe über die Grenze gekommen. Vielmehr haben sie jahrhundertelang "hereingedrückt". Wiederholt zogen die Franken plündernd durch die Rhein-Mosel-Gegend, wiederholt wurden die großen Städte wie Köln oder Trier von ihnen erobert - sage keiner, es sei dabei nicht jedesmal zu Bevölkerungsverlusten gekommen. Um "Luft herauszunehmen", griffen die Römer immer wieder zu dem Mittel, ganze Stämme auf römischem Boden anzusiedeln und größere Gruppen ins römische Militärsystem einzugliedern. Das hätte funktionieren können: Wie die früheren Kelten und Germani cisrhenani hätten die sich binnen weniger Generationen romanisiert, wenn... ja wenn sich nicht das Spiel in allzukurzen Abständen wiederholt hätte. Noch bevor die Laeten sich assimiliert hatten, kam schon der nächste Schub Franken ins Land. Als Dediticii, schließlich als Foederaten. Die Gründung des Merowingerreichs war keineswegs das Produkt der einmaligen Einwanderung eines geschlossenen "wandernden Volksheeres", das war der Schlußpunkt von 200 Jahren fränkischer Einnistung ins römische Reich. Nicht viel anders war es mit den Alemannen. Auch die sind nicht mit einem Schlag als wohlorganisiertes Volksheer unter "umsichtiger Führung" eingewandert.
 
Delbrück geht bei der Bevölkerung des römischen Reiches von 100 bis 150 Millionen Menschen insgesamt aus.

Etwas OT, aber das ist eindeutig zu hoch! Z.Zt Augustus waren es vielleicht 60 Mio. Im 4. Jh. wird die Weltbevölkerung auf etwa 230 Mio geschätzt, etwa gleichmäßig auf RR, Indien, China aufgeteilt (also je 70 Mio); dazu ein unerhebliche Teil im Rest der Welt...
 
Ich nehme an, Delbrück spricht hier von den "wandernden Volksheeren" der Goten, Vandalen oder Langobarden, die als geschlossener Haufen Tausende von Kilometer weit wanderten. Das trifft auf die Situation am Rhein nicht zu. Weder die Franken noch die Alemannen sind mit einem Schlag und als geschlossene Gruppe über die Grenze gekommen. Vielmehr haben sie jahrhundertelang "hereingedrückt". Wiederholt zogen die Franken plündernd durch die Rhein-Mosel-Gegend, wiederholt wurden die großen Städte wie Köln oder Trier von ihnen erobert - sage keiner, es sei dabei nicht jedesmal zu Bevölkerungsverlusten gekommen. Um "Luft herauszunehmen", griffen die Römer immer wieder zu dem Mittel, ganze Stämme auf römischem Boden anzusiedeln und größere Gruppen ins römische Militärsystem einzugliedern. Das hätte funktionieren können: Wie die früheren Kelten und Germani cisrhenani hätten die sich binnen weniger Generationen romanisiert, wenn... ja wenn sich nicht das Spiel in allzukurzen Abständen wiederholt hätte. Noch bevor die Laeten sich assimiliert hatten, kam schon der nächste Schub Franken ins Land. Als Dediticii, schließlich als Foederaten. Die Gründung des Merowingerreichs war keineswegs das Produkt der einmaligen Einwanderung eines geschlossenen "wandernden Volksheeres", das war der Schlußpunkt von 200 Jahren fränkischer Einnistung ins römische Reich. Nicht viel anders war es mit den Alemannen. Auch die sind nicht mit einem Schlag als wohlorganisiertes Volksheer unter "umsichtiger Führung" eingewandert.


Das ist genau das, was ich seit Beginn dieser Diskussion predige.
 
Um die Zeitenwende gab es da wirklich wenig.. selbst die etwa 20 Mio scheinen mir schon hoch gegriffen. Die für 1500 geschätzte Bevölkerung von Nord- und Mesoamerika (ca 20 Mio) oder auch in Südostasien (Khmer, Majapahiten) oder im Sub-Saharagebiet (Mali, Ghana, Songhai) baute sich erst viele Jahrhunderte später auf...
 
Etwas OT, aber das ist eindeutig zu hoch! Z.Zt Augustus waren es vielleicht 60 Mio. Im 4. Jh. wird die Weltbevölkerung auf etwa 230 Mio geschätzt, etwa gleichmäßig auf RR, Indien, China aufgeteilt (also je 70 Mio); dazu ein unerhebliche Teil im Rest der Welt...

Das ist die Originalstelle aus dem Link:
Die Bevölkerung des römischen Reichs gegen die Mitte des dritten Jahrhunderts haben wir auf 90 Millionen Menschen veranschlagt. Das ist eine Mindestzahl; es könnte wohl auch bis zu 150 Millionen angenommen werden
Es kommt mir ehrlich gesagt auch hoch vor, ansonsten rechnet der gute Delbrück die Heeresstärken der Schriftquellen allerdings so schonungslos herab, dass man ihm schon eine gewisse Kompetenz zurechnen kann.
 
Das hätte funktionieren können: Wie die früheren Kelten und Germani cisrhenani hätten die sich binnen weniger Generationen romanisiert, wenn...
Das ist genau das, was ich seit Beginn dieser Diskussion predige.

An dieser Stelle muß ich nun bekennen, daß mir da wohl etwas entgangen ist. Jedenfalls hast Du es so wörtlich und deutlich nicht gesagt:

Die Kelten auf römischem Gebiet wurden ebenso wie die vor den Franken und Alemannen auf römischem Gebiet siedelnden Germanengruppen binnen weniger Generationen romanisiert.

Wie auch immer: Es ist erfreulich, daß wir in diesem Punkt übereinstimmen.
 
An dieser Stelle muß ich nun bekennen, daß mir da wohl etwas entgangen ist. Jedenfalls hast Du es so wörtlich und deutlich nicht gesagt:

Die Kelten auf römischem Gebiet wurden ebenso wie die vor den Franken und Alemannen auf römischem Gebiet siedelnden Germanengruppen binnen weniger Generationen romanisiert.

Wie auch immer: Es ist erfreulich, daß wir in diesem Punkt übereinstimmen.

Das hätte funktionieren können: Wie die früheren Kelten und Germani cisrhenani hätten die sich binnen weniger Generationen romanisiert, wenn...
Alles richtig. Wenn das Wörtchen "wenn" nicht wär.

Und deshalb wurden die, aus Zeitgründen, lediglich "teil"-romanisierten Germanen/Kelten östlich der späteren Sprachgrenze germanisiert.

Im Gegensatz zu denen westlich der Sprachgrenze, die einige Generationen mehr Zeit zur Romanisierung, insbesondere sprachlich, hatten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Alles richtig. Wenn das Wörtchen "wenn" nicht wär.

Dann hast Du vermutlich den Sinn meiner Aussage nicht richtig verstanden: Die Assimilation der Franken hätte funktionieren können, genauso wie die Assimilation der Kelten und Germani cisrhenani funktioniert hat.


Und deshalb wurden die, aus Zeitgründen, lediglich "teil"-romanisierten Germanen/Kelten östlich der späteren Sprachgrenze germanisiert.

Die "spätere Sprachgrenze" westlich des Rheins hat sich erst tausend Jahre später eingependelt. Zu Caesars Zeiten gab es da keine unsichtbare magische Linie, von der aus gesehen "östlich" nur teilromanisiert und "westlich" erst so richtig romanisiert worden wäre. Im Gegenteil, die Romanisierung ging am Rhein offensichtlich viel zügiger vonstatten als im gallischen Hinterland. Für das ganze Gebiet zwischen "der späteren Sprachgrenze" und dem Rhein scheidet der von Dir ins Spiel gebrachte Zeitfaktor sowieso völlig aus.

Vermutlich hattest Du nur das Dekumatland im Sinn, aber auch hier war der Zeitfaktor völlig ausreichend. Die römische Herrschaft in Dakien war noch kürzer, mit dem Ergebnis, daß die dakische Sprache restlos ausgestorben ist und man dort heute Rumänisch spricht.
Ein paar Generationen können reichen - es kommt natürlich immer darauf an, für wen die Zeit arbeitet:
Solange es einen Nachzug in Intervallen von Jahrzehnten (und nicht Jahrhunderten) gibt, ist diejenige Sprache im Vorteil, die immer wieder Zuwachs erhält - gegenüber der Sprache, bei der es nie Zuwachs gibt.
Welche Sprache hat denn in den rund 200 Jahren, in denen das Dekumatland unter römischer Fuchtel stand, laufend Zuwachs erhalten? Wurde irgendwann in dieser Zeit einmal ein nicht-romaniserter Stamm angesiedelt, so wie es am Niederrhein der Fall war?
Dazu kommt, daß die Besiedlung dieses Gebiets vor der Römerzeit ziemlich dünn gewesen sein muß (das ist auch der archäologische Befund), auch wenn man nicht an eine "Einöde" als menschenleeres Gebiet glaubt.
Fassen wir für das Dekumatland zusammen:
1. Die Vorbevölkerung muß zahlenmäßig ziemlich gering gewesen sein.
2. Der Zustrom von Siedlern kam aus den romanisierten Teilen des Reichs, nicht von jenseits des Limes
3. Für eine Romanisierung der eingesessenen Bevölkerung war mehr als ausreichend Zeit vorhanden.
4. Alle archäologischen Belege sprechen für eine sehr rasche kulturelle Romanisierung des Gebiets.
5. Kein einziger Beleg spricht dafür, daß dennoch eine einheimische Sprache weit darüber hinaus weiter überlebt hätte.
6. Auch Jahrhunderte nach dem Abzug der Römer lassen sich noch romanischsprechende Bevölkerungsteile auf dem Gebiet des ehemaligen Dekumatlandes nachweisen.

Alles dies spricht dafür, daß auch die Bevölkerung des Dekumatlandes vor dem Alemanneneinbruch weitgehend, wenn nicht gar vollständig romanisiert war.

Der einzige Gegen"beleg"? Herr Dr. Paret hat vor ca. 50 Jahren mal irrtümlich was anderes vermutet, leider ohne Indizien dafür anzuführen...
 
spannende Diskussion!

was mich zu dem Thema ob sich die Bewohner jener Gebiete zu dem von euch gemeinten Zeitraum als "Kelten", "Germanen" oder "Römer" gefühlt haben interessieren würde ist:

welche Rolle spielen die alten Stammesnamen noch?

IMHO wenn man nicht mehr "Angehöriger von dem und dem Stamm" war sondern "bewohner von der und der Provinz" bzw. Siedlung...

dann kann man doch auch an der "keltizität" der jeweiligen Menschen zweifeln, oder?
 
was mich zu dem Thema ob sich die Bewohner jener Gebiete zu dem von euch gemeinten Zeitraum als "Kelten", "Germanen" oder "Römer" gefühlt haben interessieren würde ist:

welche Rolle spielen die alten Stammesnamen noch?

Die alten Stammesnamen lebten teilweise in der Benennung der römischen Verwaltungseinheiten, der "civitates" weiter, z. B.
"Civitas Ubiorum" nach den Ubiern
"Civitas Treverorum" nach den Treverern
"Civitas Ulpia Sueborum Nicretum" nach den Neckarsueben

siehe auch: Civitas ? Wikipedia

Aber wie Du sagst, das war keine Stammesangehörigkeit, sondern eine römische Verwaltungseinheit.

Alte, z. T. keltische Stammesnamen verbergen sich auch noch in Bezeichnungen heutiger Verwaltungseinheiten, z. B. in den französischen Regionen Auvergne (nach den Arvernern) oder Limousin (nach den Lemovicern)...
 
1. Die Vorbevölkerung muß zahlenmäßig ziemlich gering gewesen sein.

.

Und die 5 Legionen mit denen die Römer gegen die "geringe" Bevölkerung vorgegangen sind? Varus hatte 3.


2. Der Zustrom von Siedlern kam aus den romanisierten Teilen des Reichs, Romanisierung des Gebiets.
Alles dies spricht dafür, daß auch die Bevölkerung des Dekumatlandes vor dem Alemanneneinbruch weitgehend, wenn nicht gar vollständig romanisiert war.nicht von jenseits des Limes
3. Für eine Romanisierung der eingesessenen Bevölkerung war mehr als ausreichend Zeit vorhanden.
4. Alle archäologischen Belege sprechen für eine sehr rasche kulturelle

Vor den Römern gibt es im heutigen BW archäologisch eine ähnliche Situation wie nach der Christianisierung. Fundlosigkeit. Die unmittelbar zuvor wunderbar sprudelnden Quellen geben nichts mehr her. Etwa 50vor bis ca. 75 nach, so gut wie nichts. "Keltische" Viereckschanzen früher mal als militärische Anlagen, dann als Kultbereiche, derzeit als Gehöfte angesprochen, aber dann hat es sich.



Dann hast Du vermutlich den Sinn meiner Aussage nicht richtig verstanden: Die Assimilation der Franken hätte funktionieren können, genauso wie die Assimilation der Kelten und Germani cisrhenani funktioniert hat.

Es hat nicht funktioniert. Und wenn mein Onkel Brust hätte, dann wäre es meine Tante:devil:


Die "spätere Sprachgrenze" westlich des Rheins hat sich erst tausend Jahre später eingependelt. Zu Caesars Zeiten gab es da keine unsichtbare magische Linie, von der aus gesehen "östlich" nur teilromanisiert und "westlich" erst so richtig romanisiert worden wäre. Im Gegenteil, die Romanisierung ging am Rhein offensichtlich viel zügiger vonstatten als im gallischen Hinterland. Für das ganze Gebiet zwischen "der späteren Sprachgrenze" und dem Rhein scheidet der von Dir ins Spiel gebrachte Zeitfaktor sowieso völlig aus.

Wenn ich meinen Putzger "richtig im Kopf" habe, hat sich die Sprachgrenze seit 800 nChr. nicht mehr soviel verändert. Nix mit 1.000 Jahren.:winke:

6. Auch Jahrhunderte nach dem Abzug der Römer lassen sich noch romanischsprechende Bevölkerungsteile auf dem Gebiet des ehemaligen Dekumatlandes nachweisen.

Du sprichst von Bregenz + Arbon? Das ist aber 1. Rätien nicht Dekumat, 2. sassen die Römer dort bis ca. 450, hatten also mehr als doppelt solange Zeit zum "sprachlichen Romanisieren"

5. Kein einziger Beleg spricht dafür, daß dennoch eine einheimische Sprache weit darüber hinaus weiter überlebt hätte.

Jetzt dachte ich, der "negative Beweis" wäre verpönt.:confused:

Der einzige Gegen"beleg"? Herr Dr. Paret hat vor ca. 50 Jahren mal irrtümlich was anderes vermutet, leider ohne Indizien dafür anzuführen

Und die schnelle Germanisierung? Kein Beleg?:rofl:
 
Und die 5 Legionen mit denen die Römer gegen die "geringe" Bevölkerung vorgegangen sind? Varus hatte 3.
... und ist damit bekanntlich baden gegangen, weil er unvorsichtig war. Das wußte man auch um 75 n. Chr. noch, vielleicht war man diesmal übervorsichtig. Lassen wir aber die Spekulationen beiseite und halten uns an die Fakten: Die Truppen waren mit umfangreichen Straßen- und sonstigen Baumaßnahmen beschäftigt. Ob es überhaupt zu Kampfhandlungen gekommen ist, ist unsicher:
Reallexikon der Germanischen Altertumskunde schrieb:
Der obergerm. Legat Pinarius Clemens ließ in den 70er J. eine Straße vom Legionslager Straßburg durch das Kinzigtal zur oberen Donau bauen, die Okkupation und Sicherung des oberen Neckargebietes wurde durch Auxilien des obergerm. Heeres von Straßburg und Vindonissa aus betrieben, in Rottweil (Arae Flaviae) ein neuer Zentralort gegründet. Diese Erfolge wurden als milit. Triumphe gefeiert, umstritten ist aber, ob sie tatsächlich durch einen nennenswerten milit. Machteinsatz errungen waren.
Germanen, Germania, germanische ... - Google Buchsuche

Etwa 50vor bis ca. 75 nach, so gut wie nichts. "Keltische" Viereckschanzen früher mal als militärische Anlagen, dann als Kultbereiche, derzeit als Gehöfte angesprochen, aber dann hat es sich.
Soweit der archäologische Befund. Dazu kommt nun der quellenmäßige Befund, der genau in diesem Zeitraum sogar von einer "Einöde" spricht. Daß es sich um völlig menschenleeres Gebiet gehandelt hat, halte ich, wie gesagt, angesichts der Kontinuität keltischer Ortsnamen nicht für plausibel.
Doch beide - voneinander unabhängigen - Befunde sprechen dafür, daß wir hier im genannten Zeitraum mit einer dünnen Besiedlung rechnen müssen.

Alles andere wäre kontrafaktische Geschichtsschreibung: Man wischt die Fakten vom Tisch und behauptet das Gegenteil.

Es hat nicht funktioniert.
Alle Indizien (ich zähle sie nicht noch einmal auf) belegen, daß es funktioniert hat.

Vor wenigen Monaten war all das, was ich hier sage, auch für Repo noch "Stand der Wissenschaft".

Ist es aber nicht so, dass Süddeutschland (ich nehme einmal den ganzen von Kelten besiedelten Raum) ohnehin nur schwach besiedelt war? Das keltische Manching lag in der Tat Ende des 1. Jh. v. Chr. in Trümmern. Das könnte aber auch, wie man vermutet, die Folge von Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen keltischen Stämmen sein.

In jedem Fall gab es, als die Römer kamen, eine sehr rasche Assimilation der Kelten, wie das auch in Gallien der Fall war, sodass binnen kürzester Zeit die typische Kultur der Kelten verschwand. Somit ist auch für die Archäologen keine Fundschicht mit typisch keltischen Erzeugnissen mehr auffindbar. Als die Römer um 400 n. Chr. Süddeutschland aufgaben, hinterließen sie eine völlig romanisierte Bevölkerung, die auch nicht entfernt keltische Traditionen bewahrt hatte.

Das ist Stand der Wissenschaft.

Ist der heutige Stand der Wissenschaft dadurch überholt, indem eine vor ca. einem halben Jahrhundert aufgestellte (durch nichts belegte) Behauptung aus der Mottenkiste gezogen wird?

Wenn ich meinen Putzger "richtig im Kopf" habe, hat sich die Sprachgrenze seit 800 nChr. nicht mehr soviel verändert. Nix mit 1.000 Jahren.:winke:
Vielleicht ist der Putzger ja schon etwas älter? Aber auch mit Putzger sind es von Caesar bis 800 n. Chr. 850 Jahre. Die Kelten am Rhein konnten jedenfalls von der späteren Sprachgrenze noch nichts ahnen.

Du sprichst von Bregenz + Arbon?
Ich spreche vom Schwarzwald, der lag im Dekumatland.

Jetzt dachte ich, der "negative Beweis" wäre verpönt.:confused:
Von "Beweis" habe ich nichts geschrieben. Es gibt eine Kette von Indizien, und die ist in sich schlüssig und widerspruchsfrei.
Das "negative Argument" ist natürlich in der Gegenüberstellung zu einem positiven Befund zu sehen: In Gallien ist "das Überleben des Keltischen fernerhin dokumentiert durch eine große Anzahl von Inschriften, besonders zahlreich in der frühen Kaiserzeit" (Edgar C. Polomé, Linguistic Situation in the Western Provinces, in: Aufstig und Niedergang der römischen Welt, Band 29/2, Berlin/New York 1983, S. 528)) - wie sieht es im Dekumatland aus?

Und die schnelle Germanisierung? Kein Beleg?:rofl:
Wo siehst Du denn Indizien für eine "schnelle Germanisierung", sprachlich gesehen?
Bis das ehemalige Dekumatland sprachlich restlos germanisiert war, sind nachweislich mindestens 600 Jahre vergangen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Alle Indizien (ich zähle sie nicht noch einmal auf) belegen, daß es funktioniert hat.
So?
Das hätte funktionieren können: Wie die früheren Kelten und Germani cisrhenani hätten die sich binnen weniger Generationen romanisiert, wenn... ja wenn sich nicht das Spiel in allzukurzen Abständen wiederholt hätte. Noch bevor die Laeten sich assimiliert hatten, kam schon der nächste Schub Franken ins Land. Als Dediticii, schließlich als Foederaten
kurz zuvor hast Du das geschrieben.
Hat es nun funktioniert? Oder hätte es funktionieren können?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
So?


kurz zuvor hast Du das geschrieben.
Hat es nun funktioniert? Oder hätte es funktionieren können?

Du hast es einen Beitrag zuvor noch zitiert:

hyokkose schrieb:
Dann hast Du vermutlich den Sinn meiner Aussage nicht richtig verstanden: Die Assimilation der Franken hätte funktionieren können, genauso wie die Assimilation der Kelten und Germani cisrhenani funktioniert hat.

Ich dachte, das wäre unmißverständlich formuliert gewesen, aber ich erkläre es gern ein drittes Mal:

Die Assimilation der Kelten insgesamt hat funktioniert (Ausnahme: Wales und Cornwall), in Gallien jedenfalls hat sie funktioniert und am Rhein erst recht. Die Assimilation der Germani cisrhenani hat ebenfalls funktioniert, und zwar in sehr kurzer Zeit.
Nach diesen Erfahrungen hätte aus Sicht der Römer die Assimilation der Franken ebenfalls funktionieren können, doch sie hat nicht funktioniert, aus den von mir genannten Gründen.

Die Germani cisrhenani haben sich allen Befunden nach zu schließen, sogar sehr schnell assimiliert.
siehe weiter oben schrieb:
Dieser Befund insgesamt läßt sich durchaus so auffassen, daß die germanischen Elemente Reste sind, sprachliche Relikte, die eine Bevölkerung sich bewahrt hat, welche einen vehementen Prozeß der Akkulturierung an ihre gallo-römische Umgebung durchläuft.
[...]
Daß spätere Autoren, etwa Tacitus, die cisrhenani Germani nicht mehr erwähnen, läßt sich nun wohl so verstehen, daß diese Stammensgruppen diejenigen Merkmale, die sie als Germanen erscheinen ließen, inzwischen aufgegeben hatte, daß also jeder Grund zu einer unterscheidenden Benennung weggefallen war.
Wenn entgegen diesen Befunden, entgegen dem Stand der Wissenschaft und ohne irgendwelche Belege zu nennen schlicht das Gegenteil behauptet wird, dann nenne ich das "kontrafaktische Geschichtsschreibung".
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Zwischen der römischen Reichsgrenze und der späteren Sprachgrenze waren vor der eigentlichen "Landnahme" bereits größere Germanenpopulationen eingesickert, die nicht mehr in größerem Umfang assimiliert wurden, werden konnten.
Nur so ist die spätere Germanisierung dieser Gebiete denkbar, da die "landnehmenden Eroberer" an Kopfzahl dazu einfach zu wenige waren.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Zwischen der römischen Reichsgrenze und der späteren Sprachgrenze waren vor der eigentlichen "Landnahme" bereits größere Germanenpopulationen eingesickert, die nicht mehr in größerem Umfang assimiliert wurden, werden konnten.
Die einzige Ecke, in der es möglicherweise nicht zu einer Assimilierung größeren Umfangs gekommen ist, waren die von mir schon ein paarmal erwähnten "niederrheinischen Sümpfe" - die Gegenden, wo die Bataver und Friesen saßen.
Das Einsickern größerer Germanenpopulationen beginnt im 3. Jahrhundert, so richtig dick wird es rechtsrheinisch dann im 4. und 5. Jahrhundert. Davor war lange nichts Vergleichbares. Die Umsiedlung der Ubier war schon 38 v. Chr.


Nur so ist die spätere Germanisierung dieser Gebiete denkbar, da die "landnehmenden Eroberer" an Kopfzahl dazu einfach zu wenige waren.

Mit was für "Zahlen" operierst Du denn? Wir kennen nicht die Bevölkerungszahlen der römischen Provinzen, wir können lediglich an Beispielen wie etwa Köln sehen bzw. über den Daumen peilen, daß die romanische Bevölkerung im 3. Jahrhundert bereits auf die Hälfte abgesackt ist und in der Folgezeit vermutlich noch einmal um die Hälfte (die Bevölkerungszahl insgesamt blieb etwa gleich, doch war das bereits eine gemischte germanisch-romanische Bevölkerung). In anderen Gegenden dasselbe Bild: Militärische und zivile Bauten werden verkleinert, ländliche Gutshöfe verlassen (die Landbevölkerung wird zunächst versucht haben, in den ummauerten Siedlungen Schutz zu suchen, der städtische Bevölkerungsschwund wird dadurch teilweise ausgeglichen, d. h. der feststellbare städtische Bevölkerungsschwund ist nur die Spitze des Eisbergs.), schließlich Truppen und Verwaltungselite ganz abgezogen.
Auf der anderen Seite liefern die antiken Quellen durchaus beeindruckende Zahlen für die herandrängenden Germanenstämme. Nach der germanischen Invasion in Gallien um 275, bei der 60 Städte zerstört (!) wurden, schlug Kaiser Probus die Eindringlinge über den Neckar und die Schwäbische Alb zurück, dabei sollen 400.000 Germanen getötet worden sein. Ein einzelner Stamm, die Juthungen, soll über 40.000 Reiter und 80.000 weitere Krieger zu Fuß verfügt haben. Auch wenn die konkreten Zahlen vermutlich geprahlt sind - in römischen Augen müssen das horrende Volksmassen gewesen sein.
 
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