Indogermanen, Konstrukt oder Wirklichkeit?

ELKE KAISER : Silvia Penner, Schliemanns Schachtgräberrund und der europäische Nordosten. Studien zur Herkunft der frühmykenischen StreitwagenausstattungPRAEHISTORISCHE ZEITSCHRIFT
75. Band Heft 2 2000
 
ELKE KAISER : Silvia Penner, Schliemanns Schachtgräberrund und der europäische Nordosten. Studien zur Herkunft der frühmykenischen StreitwagenausstattungPRAEHISTORISCHE ZEITSCHRIFT
75. Band Heft 2 2000

Wobei Elke Kaiser die Dozentin der FU Berlin ist, die das Buch zu einer ihrer Veranstaltungen auf der Literaturliste gehabt haben dürfte. Von der hab ich den Aufsatz von Anthony. Da gabs eine Übung speziell zu Rad und Wagen.
Penners Monographie ist auch wegen des veröffentlichten Materials interessant. Sie bringt z.B. Streitwagendarstellungen aus Mittelasien, teilweise von Kamelen gezogen. Ich kann das hier jetzt nur kurz anreissen, aber es ist interessant sich da mal die Zahl der Speichen anzusehen. Falls ich Zeit habe bring ich im Wagen-Fred mal paar Stichpunkte.
 
Genau da liegt das Problem, selbst Sprachwissenschaftler sehen die möglichen Beweise einer Idg. Sprache mittlerweile kritisch.

Ach, wir sind doch alle kritische Zeitgenossen und sehen Beweise, für was auch immer, grundsätzlich kritisch.

Phrasen beiseite und Butter bei die Fische: Welcher Sprachwissenschaftler hat für die Gemeinsamkeiten unter den indoeuropäischen Sprachen eine andere plausible Erklärung als die einer Abstammung von einer (in den Grundzügen rekonstruierbaren) Ursprache - oder lehnt gar die Vorstellung einer Ursprache ab?



Außerdem frag ich mich wirklich, wer schon mal einen Kurs zur Logik besucht hat.........................., ich habe zumind. in der Informatik, als auch der Phil. mir Kurse zur Logik angehört.
Wer in welchen Kurs mal dringesessen ist, interessiert mich herzlich wenig.

Mich interessiert vielmehr, ob die hier zu lesenden Beiträge logisch nachzuvollziehen sind, oder ob sie offenkundige Denkfehler aufweisen.
 
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Phrasen beiseite und Butter bei die Fische: Welcher Sprachwissenschaftler hat für die Gemeinsamkeiten unter den indoeuropäischen Sprachen eine andere plausible Erklärung als die einer Abstammung von einer (in den Grundzügen rekonstruierbaren) Ursprache - oder lehnt gar die Vorstellung einer Ursprache ab?

Der von dir bereits zitierte Trubetzkoy hat das im gleichen Beitrag abgelehnt. Auch hier gilt deine Bemerkung: "An der Definition der Indogermanen, die Trubetzkoy 1936 formuliert hat, hat sich bis heute nichts geändert", was dahingehend zu interperetieren ist, dass die Gegner der Ursprachen-Hypothese bis heute ähnlich argumentieren:

Es wird vermutet, dass es einmal eine Zeit gegeben hat, wo nur eine einzige indogermanische Sprache, die so genannte indogermanische Ursprache, bestand, von der alle historisch überlieferten Ursprachen abstammen sollen. Diese Vermutung steht in Widerspruch mit der Tatsache, dass wir, soweit wir in der Geschichte zurückblicken können, immer eine Vielfalt von indogermanischen Völkern vorfinden. Ganz unmöglich ist die Vermutung einer indogermanischen Ursprache nicht. Sie ist aber gar nicht notwendig und man kann sehr gut auch ohne sie auskommen ...

Es gibt also eigentlich gar keinen zwingenden Grund zur Annahme einer einheitlichen indogermanischen Ursprache, von der die einzelnen indogermanischen Sprachzweige abstammen würden. Ebenso gut denkbar ist, dass die Vorfahren der indogermanischen Sprachzweige ursprünglich einander unähnlich waren, sich aber durch ständigen Kontakt, gegenseitige Beeinflussung und Lehnverkehr allmählich einander bedeutend genährt haben, ohne jedoch miteinander ganz identisch zu werden.

(N.S. Trubetzkoy, Gedanken über das Indogermanenproblem, in: Acta linguistica I, 1939, S. 81-89, zitiert nach: A. Scherer (Hrsg.), Die Urheimat der Indogermanen, Darmstadt 1968, S. 214 f.)

Demgegenüber sagt Ernst Meyer:

Zuvorderst ist wohl auch hier an oft gesagte Dinge zu erinnern, nämlich darn, dass der Begriff "indogermanisch" zunächst nur ein sprachlicher ist. Da aber jede Sprache ihre Träger voraussetzt, kann man darüber hinaus von indogermanischen Völkern reden, wenn man sich nur stets bewusst bleibt, dass die Verbindung von Volk und Sprache nicht unlöslich ist, dass ein Volk seine Sprache wechseln und eine andere annehmen kann und dass gleiche oder verwandte Sprache durchaus nicht notwendig gleiche Kultur und erst recht nicht gleiche rassenmäßige Zusammensetzung bedeuten muss ...

Sprachliche Beobachtungen lassen gewisse Schlüsse zu auf die Kultur des indogermanischen Grundvolks oder der indogermanischen Völkerfamilie vor ihrer Trennung in ihre verschiedenen Zweige.

(Ernst Meyer, Die Indogermanenfrage, Marburg 1946/1948, zit. nach: Die Urheimat der Indogermanen, a.a.O., S. 256 f.)

Ein Gegner der Urvolk-Hypothese kommt zu folgendem Schluss:

Es ist völlig klar, dass eine Sprache ein Volk oder bei bloßen Verständigungssprachen eine Sprachgemeinschaft voraussetzt, die sich der Sprache bedient. Wenn es aber keine Ursprache gegeben hat, so ist auch die Annahme eines Urvolks illusorisch. Es gab Einzelsprachen, indogermanische Dialekte, die dialektische Ähnlichkeit und Verschiedenheit aufwiesen.

Es muss also ein ziemlich großer Raum postuliert werden, auf dem die indoghermanischen Völker wohnten in gegenseitigem sprachlichen Austausch, in fortlaufenden Differenziations- und Integrationsprozessen. So profilierten sich mit der Zeit die sprachlichen Individualitäten.

(Georg Solta, Gedanken zum Indogermanenproblem, 1952, zit. nach: Die Urheimat der Indogermanen, a.a.O., S. 325)

Die länger zuruckliegenden Publikationsdaten spielen eine untergeordnete Rolle. Es handelt sich um Hypothesen, die auch heute noch mit gleicher Argumentation vertreten werden.
 
Der von dir bereits zitierte Trubetzkoy hat das im gleichen Beitrag abgelehnt. Auch hier gilt deine Bemerkung: "An der Definition der Indogermanen, die Trubetzkoy 1936 formuliert hat, hat sich bis heute nichts geändert"


Daß Trubetzkoys Definition heute so stimmig ist wie damals, hat sich nicht geändert.
Und daß seine Alternative zur Ursprache der Faktenlage nicht gerecht wird, war damals schon so.

Nun vermag DerGeist, seinem eigenen Bekunden nach, älteren Artikeln nicht viel abzugewinnen und hat ja auch ausdrücklich die Behauptung aufgestellt, die Beweislage würde mittlerweile von Sprachwissenschaftlern kritisch gesehen, und zwar so kritisch, daß seinem eigenen Bekunden nach, die Indogermanen beweisbar nicht existiert hätten.


Es handelt sich um Hypothesen, die auch heute noch mit gleicher Argumentation vertreten werden.

Dann stelle ich die Frage, die DerGeist bislang unbeantwortet gelassen hat, hiermit auch an Dich: Welcher Sprachwissenschaftler vertritt heute noch die Argumentation Trubetzkoys?
 
Nun vermag DerGeist, seinem eigenen Bekunden nach, älteren Artikeln nicht viel abzugewinnen und hat ja auch ausdrücklich die Behauptung aufgestellt, die Beweislage würde mittlerweile von Sprachwissenschaftlern kritisch gesehen, und zwar so kritisch, daß seinem eigenen Bekunden nach, die Indogermanen beweisbar nicht existiert hätten.

Ich habe bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass dieses stete Pochen unseres geistreichen Geists, wonach ältere Publikationen auf die Müllhalde gehören, nicht nur arrogant, sondern wissenschaftlich unsinnig ist.

Da die Faktenlage in der Indogermanistik seit Jahrzehnten unverändert ist, gibt es lediglich immer neue Hypothesen und Facetten zur "Urvolk"- und Urheimatproblematik. Dabei stellt sich oft heraus, dass neuere Hypothesen nicht notwendigerweise überzeugender sein müssen.

Leider ist unser "Geist" so flüchtig, dass er diese Tatsache konstant übersieht.




Dann stelle ich die Frage, die DerGeist bislang unbeantwortet gelassen hat, hiermit auch an Dich: Welcher Sprachwissenschaftler vertritt heute noch die Argumentation Trubetzkoys?[/quote]
 
Zu einer Sache aus einem Zitat noch eine Anmerkung:
Ernst Meyer schrieb:
Da aber jede Sprache ihre Träger voraussetzt, kann man darüber hinaus von indogermanischen Völkern reden, wenn man sich nur stets bewusst bleibt, dass die Verbindung von Volk und Sprache nicht unlöslich ist, dass ein Volk seine Sprache wechseln und eine andere annehmen kann und dass gleiche oder verwandte Sprache durchaus nicht notwendig gleiche Kultur und erst recht nicht gleiche rassenmäßige Zusammensetzung bedeuten muss...
:grübel:
In Großen und Ganzen stimme ich hier zu, aber ich denke, ein Volk (oder Stamm) „wechselt“ nicht einfach mal so seine Sprache. Da muß es imho schon wesentliche Veränderungen im geschichtlichen Verlauf bzw. im Umfeld dieses Volkes/Stammes geben, wie Unterwerfung oder Verschmelzung mit einem anderen Volk/Stamm. Und selbst vor einem solchen Hintergrund dürfte es mit der Änderung der Sprache noch mehrere Generationen dauern. Somit ist die Sprache m.E. schon relativ fest an ein bestimmtes Volk/Stamm oder, wie bei den Indoeuropäern, an mehrere Völker/Stämme gekoppelt.
 
Der von dir bereits zitierte Trubetzkoy hat das im gleichen Beitrag abgelehnt. Auch hier gilt deine Bemerkung: "An der Definition der Indogermanen, die Trubetzkoy 1936 formuliert hat, hat sich bis heute nichts geändert", was dahingehend zu interperetieren ist, dass die Gegner der Ursprachen-Hypothese bis heute ähnlich argumentieren:



Demgegenüber sagt Ernst Meyer:



Ein Gegner der Urvolk-Hypothese kommt zu folgendem Schluss:



Die länger zuruckliegenden Publikationsdaten spielen eine untergeordnete Rolle. Es handelt sich um Hypothesen, die auch heute noch mit gleicher Argumentation vertreten werden.

Das meinte ich, als ich den Begriff kulturelles Kontinuum wählte, vielleicht wäre spachkulturelles Kontinuum besser gewesen. Es ging mir darum, das "völkische" Element aus der Debatte zu nehmen, wir sprechen vielleicht von Clans oder Großfamilien und eben nicht von Völkern. Der Geist meint, dass die Archäologie und die Geisteswissenschaften subjektive Wissenschaften wären, das stimmt, aber das ist wirklich nicht neu.

Das gilt auch für die Naturwissenschaften, natürlich schränkt sich der Fragesteller mit der Fragestellung die Antwort ein und beschränkt seine Sichtweise, auch nicht gerade neu. Wer eine rein experimentelle Geschichtswissenschaft sieht, dürfte letzlich auch überholt sein. Natürlich gibt es auch experimentelle Archäolgie und gerade in Zeiten "genetischer Beweise" und Herleitungen (die ihren Wert haben), ist es umso wichtiger, Prozesse in ihren Kontext einordnen zu können und Methoden der langweiligen antiken Wissenschaft dabei aufzunehmen. Daher gewinnen Disziplinen wie Ethik und Logik an Bedeutung, die experimentelle Methode des 17. und 18. Jahrhunderts (bitte nicht festlegen, es geht um den Entwicklungszeitraum) verliert eher an Bedeutung. Das war ein bisschen off topic, aber der Forennutzer der Geist verdient eine längere Antwort. Möge er dem Forum gewogen bleiben, die Beiträge haben höchste Qualität.

Kritik ist immer sehr einfach, vielleicht hat der Geist eine brauchbare Gegenmeinung ohne nur zu kritteln und leitet diese logisch her. (Anmerkung: Logik wurde m.E. noch nicht durch bessere Theorien abgelöst, Natur- und Geisteswissenschaften nutzen sie beide). Daher wird ja die Mathematik (als Geburt der Logik) als die geistige Grundlage aller Wissenschaften bezeichnet, wobei sich Mathematik und Philosophie in Grenzbereichen nicht so viel geben.
 
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Da die Faktenlage in der Indogermanistik seit Jahrzehnten unverändert ist, gibt es lediglich immer neue Hypothesen und Facetten zur "Urvolk"- und Urheimatproblematik. Dabei stellt sich oft heraus, dass neuere Hypothesen nicht notwendigerweise überzeugender sein müssen.

Leider ist unser "Geist" so flüchtig, dass er diese Tatsache konstant übersieht.

Allerdings hat es auf dem Gebiet der Archäologie doch einige neue Erkenntnisse gegeben, so daß alte Hypothesen, sofern sie mit der archäologischen Befundlage argumentieren, in mancher Hinsicht völlig überholt sind. Die Vermutung einer Ausbreitung der Schnurkeramik vom Osten her ist z. B. schon lange vom Tisch.

Daß unser "Geist", der offensichtlich vom rein archäologischen Standpunkt aus argumentiert, nicht über Hypothesen aus der Mottenkiste diskutieren will, ist mir da schon verständlich.


Dann stelle ich die Frage, die DerGeist bislang unbeantwortet gelassen hat, hiermit auch an Dich: Welcher Sprachwissenschaftler vertritt heute noch die Argumentation Trubetzkoys?

Leider hast auch Du die Frage unbeantwortet gelassen. Es ist keine rhetorische Frage, es würde mich wirklich interessieren. Du betonst mehrmals, daß die Argumentationen bis heute vertreten werden - aber Butter bei die Fische gibt es wieder nicht...
 
Das meinte ich, als ich den Begriff kulturelles Kontinuum wählte, vielleicht wäre spachkulturelles Kontinuum besser gewesen. Es ging mir darum, das "völkische" Element aus der Debatte zu nehmen, wir sprechen vielleicht von Clans oder Großfamilien und eben nicht von Völkern.

Daß Du das "völkische" Element aus der Debatte nehmen willst, kann ich ja nachvollziehen. Leider ist mir immer noch nicht klar, was Du unter "Sprachbildung" verstehst und welchen konkreten Inhalt Dein Axiom zum Ausdruck bringen soll. Auch einer Aussage wie "Sprachen entstehen in einem sprachkulturellen Kontinuum" kann ich keinen Sinn abgewinnen. Kannst Du mir mal mit einem simplen Beispiel erklären, was Du damit meinst?
 
Ich versuche es:

Wir haben zwei Sandkästen in Offenbach und vier Kinder, zwei "Deutsche" und zwei "Türken"
Wir lassen die Kinder miteinander spielen. Deutsche nur mit Deutschen, Türken nur mit Türken.
Resultat: Die Kinder sprechen entweder Deutsch oder Türkisch

Sandkasten: AA
Sandkasten: BB

Wir mischen das jetzt, ein deutsches Kind, ein türkisches: Es kommt tatsächlich eine Mischsprache raus, interessant ist, dass wenn man die Kinder zwischen den Sandkästen nicht mischt, zwei unterschiedliche Mischsprachen rauskommen, die kaum untereinander zu verstehen sind.

Sandkasten AB
Sandkasten BA

Das ist der Punkt: Sprachbildung verstehe ich ich so nicht als geschichtlichen Prozess, sondern soziologisch. Und auch heute kann man sehen, dass sich Sprachen anhand soziokultureller Prozesse ausbilden und das in Zeiten des Fernsehens und der Mobiltelefone. Kinder in ländlichen Gemeiden (nicht Offenbach) würden sich vielleicht anders sozialisieren und ein anderes Vokabular aufbauen. Daher schliesse ich auch nicht auf Ethnien, sondern eher auf eine gemeinsame Sozialisation, wegen "Sprachbildung", oftmals schaffen es Kinder durch neue oder abstraktere Begriffe, Sprachgrenzen zu überwinden. Von daher komme ich zu Sprachbildung.

Sandkasten: ABC
 
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...Daher schliesse ich auch nicht auf Ethnien, sondern eher auf eine gemeinsame Sozialisation, wegen "Sprachbildung", oftmals schaffen es Kinder durch neue oder abstraktere Begriffe, Sprachgrenzen zu überwinden. Von daher komme ich zu Sprachbildung.

Sandkasten: ABC
Dein Modell baut sich nun aber tatsächlich auf Spekulationen auf. In der Realität scheint die Geschichte aber folgendermaßen abgelaufen zu sein:
Es gibt viele verschiedene Theorien darüber, woher die Ur-Indoeuropäer oder wissenschaftlich ausgedrückt - "Proto-Indoeuropäer" kamen oder wie sie sich ausbreiteten. Es scheint jedoch festzustehen, daß sie erst recht spät (hier ist eine Zeitangabe von ca. 3000 v. Chr. im Gespräch) nach Europa einwanderten und sich nachgewiesenermaßen östlich bis Ost-Turkestan (ausgestorbenes Tocharisch), westlich bis zum Atlantik, nördlich bis fast zum Polarkreis (Island), südwestlich bis zum Mittelmeer und südöstlich bis zum Indischen Ozean (einschließlich Indiens - daher der Name "Indo-Europäer") ausbreiteten. Überall stießen sie dabei auf andere Völker, mit nicht indoeuropäischen Sprachen, z. B. auf das bis heute noch im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Spanien an der Atlantikküste gesprochene Baskische oder auf die bis ins frühe Mittelalter noch nachweisbaren Sprachen der Pikten in Schottland, Iberer in Spanien, Etrusker in Italien, Räter in den Alpen, Minoer, Pelasger und Lemnier in Griechenland sowie Hattier in Kleinasien und vermischten sich mit ihnen. Dabei übernahmen sie zumeist die Sprache der Proto-Indoeuropäer, meist unter Beibehaltung von einzelnen vor-indoeuropäischen sprachlichen Eigenheiten, wie Satzbau, Betonungen im Satz oder Änderungen im Klang der Konsonanten (z. B. aus „T“ wurde „D“, aus „s“ wurde „r“ oder aus „ka“ wurde „ch“), was auf eine gesellschaftliche Dominanz der mit Sicherheit zahlenmäßig unterlegenen Indoeuropäer schließen lässt. Sprachlich am unterschiedlichsten sind dabei die indoeuropäischen Sprachgruppen in Südosteuropa am Schnittpunkt von keltischen (in der Antike), germanischen, italischen, griechischen, albanischen (illyrischen), slawischen und anatolischen Sprachen. Somit scheint insgesamt festzustehen, daß die Proto-Indoeuropäer nicht die Ureinwohner Europas waren.
Im Laufe des 1. Jt. v. Chr. entstanden dann auf Grund der gerade erläuterten Umwälzungen die meisten indoeuropäischen Sprachen: so z. B. Griechisch, Lateinisch, Keltisch, Germanisch, Baltisch und Slawisch, um nur die wichtigsten Sprachen in Europa zu nennen, aber auch z. B. Persisch.
Einleitung_504378.htm - Die Germanen
 
Wir mischen das jetzt, ein deutsches Kind, ein türkisches: Es kommt tatsächlich eine Mischsprache raus, interessant ist, dass wenn man die Kinder zwischen den Sandkästen nicht mischt, zwei unterschiedliche Mischsprachen rauskommen, die kaum untereinander zu verstehen sind.

Sandkasten AB
Sandkasten BA

Das ist der Punkt: Sprachbildung verstehe ich ich so nicht als geschichtlichen Prozess, sondern soziologisch. Und auch heute kann man sehen, dass sich Sprachen anhand soziokultureller Prozesse ausbilden und das in Zeiten des Fernsehens und der Mobiltelefone. Kinder in ländlichen Gemeiden (nicht Offenbach) würden sich vielleicht anders sozialisieren und ein anderes Vokabular aufbauen. Daher schliesse ich auch nicht auf Ethnien, sondern eher auf eine gemeinsame Sozialisation, wegen "Sprachbildung", oftmals schaffen es Kinder durch neue oder abstraktere Begriffe, Sprachgrenzen zu überwinden. Von daher komme ich zu Sprachbildung.

Sandkasten: ABC

Was Du beschreibst, ist die Bildung einer Mischsprache. So etwas kommt vor, ist aber ein seltener Sonderfall.

Der Punkt ist, daß eine Sprachbildung nach diesem Muster gerade nicht innerhalb eines Kontinuums stattfindet, sondern an den Schnittpunkten zweier Kontinua. Das wären in diesem Fall die beiden Familien der beiden Kinder. Der Sandkasten ist in diesem Modell die Kontaktzone zwischen den beiden Kontinua.
 
Dein Modell baut sich nun aber tatsächlich auf Spekulationen auf. In der Realität scheint die Geschichte aber folgendermaßen abgelaufen zu sein:

Einleitung_504378.htm - Die Germanen



Natürlich ist Angrivariers Beispiel etwas konstruiert, aber es ist ja nur ein Modell. Dieses Modell beschreibt recht einprägsam die Bildung einer eigenständigen "Mischsprache", mithin einen Sonderfall. Ob das ursprüngliche Indoeuropäische zu diesem Typus zu zählen ist, entzieht sich freilich der Nachprüfbarkeit: Es ist möglich, aber keineswegs wahrscheinlich.

Was Du hingegen als "Realität" darstellst, entspricht voll und ganz dem, was ich als Spekulation bezeichnen würde.
Was ich da lese, würde ich so keineswegs unterschreiben:

Es scheint jedoch festzustehen, daß sie erst recht spät (hier ist eine Zeitangabe von ca. 3000 v. Chr. im Gespräch) nach Europa einwanderten
Feststehen tut da gar nichts, es bleibt beim "Schein", und ob der mit dem "Sein" etwas zu tun hat, bleibt Spekulatius.

Folge ich Deinem Link, lese ich da weiter:
[FONT=arial,helvetica,sans-serif][FONT=arial,helvetica,sans-serif]
[FONT=arial,helvetica,sans-serif][FONT=arial,helvetica,sans-serif]Auch weiß man durch Ausgrabungen von mehreren Einwanderungswellen sogenannter "Kurganvölker" ([/FONT][FONT=arial,helvetica,sans-serif]http://de.wikipedia.org/wiki/Kurgankultur[/FONT][FONT=arial,helvetica,sans-serif]), die in drei Phasen zwischen 4400-3000 v. Chr. aus der heutigen Ukraine u. a. auch nach Mitteleuropa gekommen sein sollen.[/FONT][/FONT][FONT=arial,helvetica,sans-serif]
[/FONT]Das "weiß" man keinesfalls. Was sollen das denn für Ausgrabungen sein, die auch nur einzige Einwanderungswelle irgendwelcher "Kurganvölker" (bzw. überhaupt irgendwelcher Träger einer spezifischen Kultur aus der heutigen Ukraine) belegen?

Die Beispiele aus dem Wikipedia-Link kannst Du vergessen: Streitäxte, Hockerbestattungen, Einzelgräber, schnurverzierte Keramik belegen nichts, das alles gab es in Mitteleuropa schon vor der angeblichen "Kurganisierung". Die mitteleuropäischen Begräbnissitten und Keramikerzeugnisse erklären sich ganz zwanglos als autochthone Entwicklungen. Sie unterscheiden sich von denen der Ukraine in so starkem Maße, daß für die Annahme direkter Beziehungen oder gar von Einwanderungswellen kein Anlaß besteht.


 
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Da jetzt im Vergleich zum Beginn der Diskussion doch einige dazugestoßen sind, die deutlich mehr über das Indogermanenproblem gelesen haben als ich, möchte ich noch einmal einen Teil meines ersten Posts ansprechen:

Ich wundere mich zum Beispiel immer noch wie die Mykener plötzlich zu Indogermanen geworden sind. Die Sprache ist klar zuzuweisen und es gab in der archäologischen Quellenlage seit dem Neolithikum kein Ereignis das eine Einwanderung zwingend belegen kann, aber trotzdem wird zwanghaft bestritten, dass die Sprache evtl. wirklich einfach von den Bauernkulturen übernommen wurden. (Man muß ja jetzt nicht so weit gehen und auch gleich die Entwicklung der germanischen und keltischen Sprache auf die Bandkeramiker zurückführen.)

Dieter antwortete darauf gewohnt konservativ:
Oh doch, ein solches Ereignis gab es, und zwar in Verbindung mit einem ausgedehntem Brandhorizont bzw. einer Zerstörungsschicht von Frühhelladisch II (etwa 2300-2200 v. Chr.), wie Ausgrabungen u.a. in Lerna und anderswo zeigten. Gleichzeitige Veränderungen sind aus Westanatolien bekannt. In Troja...
Die Bewegungen der dahinter vermuteten Proto-Indoeuropäer quer durch die Balkanhalbinsel sind durch die Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte deutlich geworden...

Und Wiki sagt dazu:
Feste Siedlungen mit bereits städtischem Charakter entstanden. Teilweise waren sie befestigt. Bedeutende Fundplätze sind u. a. Lerna, die frühbronzezeitlichen Schichten von Tiryns, Eutresis und Zygouries. Gegen Ende von FH II gibt es an vielen Orten Zerstörungen und Brüche. Man hat dies immer mit dem Vordringen der Indogermanen nach Griechenland in Verbindung gebracht. Allerdings wird ein Zusammenhang jetzt auch bezweifelt, da nicht ganz Griechenland von den Zerstörungen heimgesucht wurde.

Kennt evtl. jemand neuere Untersuchungen dazu? Oder ist es immer noch so, dass man nichts dazu sagen kann und somit alles hineininterpretiert werden kann (wie eben die Kurgan-Theorie um die Mykener zu Griechen zu machen)?
 
Kennt evtl. jemand neuere Untersuchungen dazu? Oder ist es immer noch so, dass man nichts dazu sagen kann und somit alles hineininterpretiert werden kann (wie eben die Kurgan-Theorie um die Mykener zu Griechen zu machen)?

Mykener zu Griechen? Ich vermute, Du meinst "Mykener zu Proto-Indoeuropäern" - Mykenisch ist ja eine Form des Griechischen, also eine indoeuropäische Sprache.
Mykenisches Griechisch – Wikipedia

Proto-Indoeuropäer waren sie zweifellos nicht, dazu hat sich ihre Sprache schon viel zu weit vom PIE entfernt.

***

Die Hypothese einer "Einwanderung der Griechen" begegnet vielerorts großer Skepsis, wie Alexander Häusler in seinem Aufsatz Kulturbeziehungen Südosteuropas im Neolithikum (in: Germania 78, Mainz 2000, 2. Halbband) referiert:

Häusler S. 342 schrieb:
Wie die Untersuchungen von Maran (1998a, 443ff.) zeigen, liegt in der Wendzeit FH II/FH III (etwa um 2200 v. Chr.), die bisher oft als Ergebnis eines Kulturbruchs und Folgeerscheinung des "coming of the Greeks" interpretiert wurde, kein Kulturbruch, sondern ein Kulturwandel infolge einer Verlagerung der Kräfteverhältnisse vor. Es gibt allerdings Hinweise darauf, daß in Verbindung mit einer Kontrolle der maritimen Meeresverbindungen entlang der adriatisch-ionischen Meeresroute westbalkanische Bevölkerungsgruppen der Cetina-Klutur bis in die Nordostpeloponnes gelangt sind. Sie nahmen wichtige Punkte entlang dieser Route in Besitz. Die zahlenmäßige Stärke dieser Einwanderer bleibt allerdings völlig unklar. J. Maran läßt es offen, ob hier ein Zusammenhang mit Veränderungen auf sprachlichem Gebiet bestanden haben könnte. Zu dem vielstrapazierten Thema des "coming of the Greeks" bemerkt schließlich Dickinson (1994, 298) "the whole notion implincit in this phrase, of the arrival of a new people with institutions and qualities that had a profound effect on the direction of development in the Aegean Bronze Age, is outdated". Aus der Analyse der Grab- und Bestattungssitten lassen sich keine Hinweise auf Wanderbewegungen oder östliche Steppeneinflüsse ableiten.
Renfrew (1999) kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, daß für die These eines "coming of the Greeks" keine Anhaltspunkte bestehen, insbesondere für Gruppen von Einwanderern, die das griechische Festland Anfang des 3. Jahrtausends v. Chr. erreicht haben könnten. Es sei auch betont, daß die Annahme der Existenz früher osteuropäischer Steppennomaden und ihrer Wanderbewegungen nach dem Westen nicht so sehr von archäologischen Befunden, als vielmehr von einem bis in die Romantik zurückreichenden Nomadenmythos abzuleiten ist (Häusler 1999b). Das gilt insbesondere für die Hypothese, aus dem nordpontischen Raum aufbrechende Reiternomaden, Träger der älteren Ockergrabkultur (Grubengrab-Katakombengrab-Kultur, von M. Gimbutas als Kurgankultur bezeichnet), hätten vom Osten her Griechenland überflutet, wodurch die Indogermanisierung Griechenlands zu erklären sei. Bevölkerungsgruppen der Ockergrabkultur sind zwar tatsächlich bis nach Ostungarn (Ecsedy 1979) und in einige angrenzende Regionen des ehem. Jugoslawien gelangt, im Zentralbalkan und in Griechenland fehlt davon jedoch bereits jede Spur [...]. Damit sind bisher keine vom Osten oder Norden ausgehende Wanderbewegungen nachweisbar, die mit der Indogermanisierung Griechenlands in Zusammenhang gebracht werden können.

- J. Maran, Kulturwandel auf dem griechischen Festland und den Kykladen im späten 3. Jahrtausend v. Chr., Bonn 1998

- O. Dickinson, The Aegean Bronze Age, Cambridge 1994

- A. Häusler, Nomadenhypothese und Ursprung der Indogermanen, in: E. C. Polomé (Hrsg.), Miscellanea Indo-Eureopea, Washington 1999

- C. Renfrew, Time depth, convergence theory and innovation in Proto-Indo-European: 'Old Europe' as a PIE linguistic area, Journal Indo-European Stud. 27, 1999

- I. Ecsedy, The people of the Pit-Grave Kurgans in Eastern Hungary, Budapest 1979
 
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Die Hypothese einer "Einwanderung der Griechen" begegnet vielerorts großer Skepsis, wie Alexander Häusler in seinem Aufsatz Kulturbeziehungen Südosteuropas im Neolithikum (in: Germania 78, Mainz 2000, 2. Halbband) referiert.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Meinung von Alexander Häusler längst nicht von allen Archäologen und Historikern geteilt wird. Natürlich kann ich als Laie dafür wenig Belege bringen, doch findet sich in den mir zugänglichen, nicht ausgesprochen fachwissenschaftlich orientierten Publikationen stets die Lesart, dass Proto-Griechen etwa um 2200/2000 v. Chr. vermutlich in mehreren Wellen einwanderten, und sich im Verlauf eines längeren Prozesses mit der autochthonen Bevölkerung vermischten.

Detlev Lotze, Professor für Alte Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, bemerkt dazu:

Im Gebiet des heutigen Griechenland sind Siedlungen seit dem 7. Jahrtsd. v. Chr. belegt. Von griechischer Geschichte ist aber erst zu reden, seitdem Gruppen mit griechischer Sprache (bzw. einer frühen Form davon) sich niedergelassen hatten. Die griechische Sprache gehört zur indogermanischen Sprachfamilie, die nicht im Mittelmeerraum zu Hause war, sondern in einer nördlichen Gegend (mag auch deren genaue Bestimmung umstritten sein). Bezüglich der älteren Bewohner Griechenlands spricht man oft mit absichtlicher Unbestimmtheit von einem ägäischen Substrat. Ortsnamen gleichen Typs finden sich in Kleinasien und auf Kreta.

Aus der Verschmelzung indogermanischer Einwanderer mit der bereits ansässigen bevölkerung entstand das griechische Volk - vorsichtiger: die erste seiner wechselnden Gestaltungen.

(Detlev Lotze, Griechische Geschichte, Von den Anfängen bis zum Hellenismus, München 1995, S. 7)
Oder auch so:

Wikipedia schrieb:
Wie die Überschichtung der vorindogermanischen Bevölkerung Europas erfolgte, ist nicht völlig geklärt. Während ein ausgedehnter Brandhorizont in Griechenland um 2000 v. Chr. auf einen gewaltsamen Einbruch der Indoeuropäer vom nördlichen Balkan her hindeutet (Proto-Griechen), erfolgte die Einwanderung in anderen Regionen Europas möglicherweise weitgehend friedlich (Substrat).
 
Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Meinung von Alexander Häusler längst nicht von allen Archäologen und Historikern geteilt wird.

Natürlich nicht, das würde mich auch wundern. Gleichwohl vertritt er keine einsame Außenseiterposition, sondern befindet sich mit anderen Fachleuten in guter Gesellschaft.

Was Lotze schreibt, möchte ich keineswegs ganz von der Hand weisen. Die - aus guten Gründen - vorsichtige Aussage zur "Heimat" der indoeuropäischen Sprache würde ich allerdings noch vorsichtiger formulieren, denn tatsächlich kann nicht ausgeschlossen werden, daß auch Teile des Mittelmeerraums noch zu dieser "Heimat" gehört haben könnten.

Festhalten möchte ich folgende Punkte:

1. Wenn es um 2000 v. Chr. zu einer massiven, sprachgeschichtlich relevanten Einwanderung gekommen ist, dann müssen wir von "Proto-Griechen" sprechen, nicht von "Proto-Indogermanen".

2. Falls es eine Einwanderung von (Proto)-Griechen gegeben hat, dann heißt das keineswegs, daß sie die ersten Indoeuropäer auf griechischem Boden waren. Ich darf in diesem Zusammenhang an unsere Pelasger-Diskussion erinnern, wo einige linguistische Indizien zur Sprache kamen, die auf ein vorgriechisches, aber dennoch indoeuropäisches Substrat hindeuten:

Die doppelte Anwesenheit von "linon" und "elaiwon" im Griechischen spricht an sich übrigens nicht gegen ein vorgriechisch-indoeuropäisches Substrat. Im Gegenteil lassen sich solche doppelten Wörter geradezu als Beleg für mehrere indoeuropäische Schichten im Griechischen heranziehen. Dafür gibt es allerdings überzeugendere Beispiele als das Ölwort. Besonders eindrucksvoll finde ich das Wort für "Schwein", dessen reguläre (s -> h) Entsprechung im Griechischen "hys" lautet (vgl. lat. "sus", deutsch "Sau"). Daneben gibt es aber auch das irreguläre "sus" im Griechischen, das bereits im Mykenischen bezeugt ist. "Da mag nach Lage der Dinge durchaus ein vorgriechisches Substrat indogermanischer Provenienz in Betracht kommen." (Klaus Strunk)
 
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Falls es eine Einwanderung von (Proto)-Griechen gegeben hat, dann heißt das keineswegs, daß sie die ersten Indoeuropäer auf griechischem Boden waren.

Nein, natürlich nicht. Es könnten durchaus andere indoeuropäisch sprechende Gruppen wie z.B. Proto-Thraker oder andere nach Süden vorgedrungen sein. Historisch relevant scheinen aber erst unsere hypothetischen Proto-Griechen geworden zu sein.

Übrigens habe ich irgendwo einmal sogar die Hypothese gelesen, die mykenischen Griechen seien über Kreta nach Griechenland eingewandert. Wie das wissenschaftlich begründet wurde, ist mir leider nicht mehr erinnerlich.
 
Was mich an Renfrew und der Anatolien-Hypothese u.a. stört, ist das Postulat einer Herkunft von gleich 3 verschiedenen Sprachfamilien aus einem relativ begrenzten geographischen Raum. Wenn dem so wäre, sollte man mehr Ähnlichkeiten untereinander erwarten.
 
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