Indogermanen, Konstrukt oder Wirklichkeit?

Genetiker um David Reich gehen von einer (Massen-) Migration indoeuropäischer Sprachträger, die sie mit der archäologischen Kultur der Schnurkeramiker identifizieren, nach Mitteleuropa aus.

Allerdings liest man immer wieder, dass die Archäologie keine Anhltspunkte für eine derartige Masseneinwanderung hat. Das ist auch stets ein zentrales Argument derjenigen Wissenschaftler, die eine Einwanderung von Indoeuropäern nach Europa verneinen und eine Autochthonen-Hypothese vertreten. Vor allem: Woher sollen solche Menschenmassen einige Jahrtausende vor der Zeitenwende aus südrussischen Steppen kommen?

Auf jeden Fall ist das ein interessanter Link und ein bemerkenswertes Forschungsergebnis.
 
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Er geht wie auch die Gimbutas von einem südrussischen Ursprungsraum aus, vermutet aber ein allmähliches Einsickern indoeuropäischer Gruppen nicht allzu großen Ausmaßes. Er scheint eher einem Elitetransfer das Wort zu reden, d.h. einige Clan- oder "Kriegsherren" gewannen die Oberhand aufgrund besserer Bewaffnung und einer durch das Pferd bedingten größeren Mobilität. Von da aus entwickelte sich nach Anthony ein Kulturtransfer, d.h. ursprünglich nichtindoeuropäische Stämme wurden indoeuropäisiert und gaben indoeuropäische Sprachen und Kulturen weiter.
Kann das wirklich so gewesen sein? [/FONT]

[FONT=&quot]Ist es nicht vielmehr so, dass nur große fremde Kontingente (siehe z.B. Bayern) die autochthone Bevölkerung majorisieren, sprich in sich aufnahmen und auch sprachlich zum Verschwinden brachten, während kleine Gruppen, selbst wenn sie die neue Elite darstellten, sich mit der autochthonen Bevölkerung vermischten und deren Sprache übernahmen (z.B. Normannen in England und in Sizilien)?[/FONT]

[FONT=&quot]Muss man nicht zwischen Kulturtransfer und Sprachtransfer unterscheiden? Ich meine, Normanen haben schon Einiges an Kultur mitgebracht, das hinterher lange Bestand hatte, aber deren Sprache hat sich im Meer der autochthonen verloren, dies nicht zuletzt wegen Frauen, die auch unter fremden Herrschaft in der Regel sehr lange noch die eigene Sprache sprechen und damit bewahren. Es gibt ja nicht umsonst den Begriff: Muttersprache. [/FONT]
 
[FONT=&quot]Ist es nicht vielmehr so, dass nur große fremde Kontingente (siehe z.B. Bayern) die autochthone Bevölkerung majorisieren, sprich in sich aufnahmen und auch sprachlich zum Verschwinden brachten, während kleine Gruppen, selbst wenn sie die neue Elite darstellten, sich mit der autochthonen Bevölkerung vermischten und deren Sprache übernahmen (z.B. Normannen in England und in Sizilien)?[/FONT]

Das Mengenverhältnis zweier Sprechergruppen zueinander kann zwar hilfreich sein, muss es aber nicht. Es ist vielmehr das Prestige, welches eine Sprache hat. So gelang es beispielsweise den Sprechern einer Region aus Mittelitalien dem ganzen westlichen Mittelmeerraum, ihre Sprache aufzudrücken und ein paar Beduinen gelang es, ganz Nordafrika und Spanien, sowie Malta und Sizilien etc. und bis weit ins alte Persien hinein dem Vorderen Orient ihre Sprache aufzudrücken.

[FONT="]Muss man nicht zwischen Kulturtransfer und Sprachtransfer unterscheiden? [/FONT]
Sprachtransfer ist eine Form des Kulturtransfers. Gewissermaßen eine Teilmenge davon.

[FONT="]Ich meine, Normanen haben schon Einiges an Kultur mitgebracht, das hinterher lange Bestand hatte, aber deren Sprache hat sich im Meer der autochthonen verloren, dies nicht zuletzt wegen Frauen, die auch unter fremden Herrschaft in der Regel sehr lange noch die eigene Sprache sprechen und damit bewahren. [/FONT]
Das Problem lag wohl anderweitig: Es war die Oberschicht, die jahrhundertelang Normannisch sprach, dies aber an die Mehrheitsbevölkerung nicht weitergab. Das mag auch an einem lebendigen normannisch-angelsächsischen Gegensatz gelegen haben. Wer im römischen Reich Latein oder Griechisch lernte, konnte ab einem gewissen Zeitpunkt partizipieren. Wer im islamischen Herrschaftsgebiet Arabisch lernte bzw. Arabisch lernen musste, wenn er zum Islam übertrat, der konnte gesellschaftlich partizipieren. Deshalb war es attraktiv Latein, Griechisch oder Arabisch zu können. Das war beim Normannischen in dieser Form offenbar nicht der Fall. Der Hunderjährige Krieg mag ein Übriges getan haben, um eine angelsächsisch-englische Identität herauszubilden.
 
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Woher sollen solche Menschenmassen einige Jahrtausende vor der Zeitenwende aus südrussischen Steppen kommen?

Menschenmasse ist hier sicher relativ zu sehen bezogen auf die Bevölkerungsdichte am Ende des Neolithikums. Interessant ist, dass der oben besprochene David W. Anthony lediglich von einem Kultur- und Spracheinfluss von Yamnaya auf Schnurkeramik (oder bereits TBK) in einer Kontaktzone am oberen Dnjestr spricht. Die genetischen Daten scheinen auf mehr zu deuten.
 
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Antwort Teil 1
Bzgl. Vennemann gibt es etwas Neues und so erspare ich mir mal das Ausgraben von alten Sachen.
Ein Buch mit kritischen Beiträgen zur Frage nach dem baskischen und semitischen Substrat in Europa von Fachleuten in Indogermanistik, Onomastik, Baskologie und Semitistik - hier zwei schöne Rezension. Besonders die von Stefan Georg ist schon eine bessere Zusammenfassung.
"Abgesehen von der Leichtigkeit, mit der Vennemanns Thesen ganz offensichtlich zu kippen waren und sind, ist dieser Band ein Modell für den Umgang mit "paralinguistischen" Denk­ansätzen. Rez. stimmt dem Herausgeber uneingeschränkt zu, dass er nötig war, oder, anders gesagt, dass Schweigen nicht der richtige Umgang mit solchen (und ähnlichen) brachialen Versuchen, "Paradigmawechsel" herbeizuführen, sein kann. Allzu schnell gelangen sie in die "Wissenschaftspresse" und erlangen eine Aufmerksamkeit, die der Disziplin insgesamt nicht geringen Schaden zufügt."
Stefan Georg: [Rezension zu]: Jürgen Udolph (Hg.), Europa Vasconica – Europa Semitica? Kritische Beiträge zur Frage nach dem baskischen und semitischen Substrat in Europa, Hamburg 2013, in: Onomastik-Blog [26.11.2014], URL: Deutsche Gesellschaft fr Namenforschung e.V. |Europa Vasconica - Europa Semitica 2

"Wie Vennemann selbst betont hat, ist er kein Fachmann für die in Frage stehenden Sprachfamilien (vgl. Zitate im hier besprochenen Band S. 154). Eben fachliche Unkenntnis (damit ist das fachliche Unkenntnis von Vennemann gemeint*) ist es nun, die alle in diesem Band vertretenen Spezialisten zu einem ablehnenden Urteil gegenüber Vennemanns Hypothesen führt; Vergleiche werden in den Bereich von "ad hoc sound similarities" (194) und "klingklanglichen Assoziationen" (155) verwiesen."
Dagmar S. Wodtko: [Rezension zu] Jürgen Udolph (Hg.), Europa Vasconica – Europa Semitica? Kritische Beiträge zur Frage nach dem baskischen und semitischen Substrat in Europa, Hamburg 2013, in: Onomastik-Blog [18.02.2014], URL: http://www.onomastikblog.de/ni_rezensionen/europa vasconica/

*eingefügt von mir

Anfügen will ich nur einen Satz von Wolfgang P. Schmid aus Akademie Journal 2/2001: "Selbst die theoretisch denkbare Existenz eines nicht-indogermanischen Substrats in Zentraleuropa wird immer wieder behauptet, konnte aber bis heute nicht bewiesen werden.

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Nur ganz kurz zum Einwandern von Indogermanen aus Russland. Sollte wirklich welche eingewandert sein, wofür ich keine Hinweise sehe, die Yamnaya-Kultur ist nie bis Zentraleuropa gekommen, dann stammen diese von aus Europa ausgewanderten Menschen ab. Dazu später mehr.
Selbst Colin Renfrew musste eingestehen, dass die Durchsetzung einer Sprache von einer Minderheit gegen eine Mehrheit, eine gewisse zivilisatorisch Stufe vorraussetzt, die in Europa zu den in Frage kommenden Zeiten gar nicht vorhanden war.
 
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Es ist vielmehr das Prestige, welches eine Sprache hat. So gelang es beispielsweise den Sprechern einer Region aus Mittelitalien dem ganzen westlichen Mittelmeerraum, ihre Sprache aufzudrücken
Stimmt, aber es gibt auch das Gegenbeispiel östliches Mittelmeer, wo sich das Latein nicht durchsetzten konnte. [/FONT]

[FONT=&quot]Und ich denke hier auch an die Balkanvölker, die erst Jahrhunderte vom Ostrom beherrscht wa[FONT=&quot]ren[/FONT], anschließend 400-500 Jahre von Türken. Sie alle behielten ihre Sprachen, wenn auch sie von der sonstigen Kultur der jeweiligen Herrscher Einiges übernommen haben. [/FONT]

[FONT=&quot]Ähnliches geschah mit Slowenen, die praktisch seit Karl dem Großen bis zum WK I. unter (germanischer) Fremdherrschaft standen und dennoch die eigene Sprache behielten. Auch die Sorben sind so ein Beispiel. [/FONT]


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Sprachtransfer ist eine Form des Kulturtransfers. Gewissermaßen eine Teilmenge davon.
Das ist klar. Dennoch denke ich, dass man da differenzieren, ja andere Maßstäbe anlegen muss, weil Sprache von Müttern weiter gegeben wird, die nicht so wie die Männer dem Assimilierungsdruck ausgesetzt sind bzw. waren. [/FONT]


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Es war die Oberschicht, die jahrhundertelang Normannisch sprach, dies aber an die Mehrheitsbevölkerung nicht weitergab. Das mag auch an einem lebendigen normannisch-angelsächsischen Gegensatz gelegen haben.
Ja, das mag in England so gewesen sein. Aber in Sizilien? Ich denke, den Eroberern folgten keine Siedler, d.h. es waren schlicht zu wenige Normannen – und vor allem Normanninnen - da, um ihre Sprache erhalten zu können. [/FONT]

[FONT=&quot]Das zeigt, dass ein Elitetransfer allein nicht die autochthone Sprache verdrängen kann. Dazu braucht man Siedler in großer Zahl. Oder man dezimiert die Träger der autochthonen Sprache wie die Römer es in Karthago gemacht haben. Dann braucht man natürlich weniger Siedler. Aber ohne den eigenen Siedler, die allein das Land tatsächlich besetzen können, geht es nicht – siehe obige Beispiele.[/FONT]
 
Bzgl. Vennemann gibt es etwas Neues und so erspare ich mir mal das Ausgraben von alten Sachen.
Ein Buch mit kritischen Beiträgen zur Frage nach dem baskischen und semitischen Substrat in Europa von Fachleuten in Indogermanistik, Onomastik, Baskologie und Semitistik - hier zwei schöne Rezension.
Vennemanns waskonische Hypothese und die von Udolph herausgegebene Replik wird in diesem Thread ausführlich besprochen, mit ausführlichen Zitaten von den jeweiligen Fachleuten indogermanistischer, baskologischer und semitistischer Richtung: http://www.geschichtsforum.de/f22/pro-et-contra-der-waskonischen-hypothese-theo-vennemanns-36459/

Anfügen will ich nur einen Satz von Wolfgang P. Schmid aus Akademie Journal 2/2001: "Selbst die theoretisch denkbare Existenz eines nicht-indogermanischen Substrats in Zentraleuropa wird immer wieder behauptet, konnte aber bis heute nicht bewiesen werden.
Hier ist Schmid wiederum übervorsichtig. Ein nicht-indoeuropäisches Substrat ist nicht nur denkbar sondern muss vorausgesetzt werden. Diese Feststellung ist dennoch kein Einklang mit V.


[FONT=&quot]Stimmt, aber es gibt auch das Gegenbeispiel östliches Mittelmeer, wo sich das Latein nicht durchsetzten konnte. [/FONT]
Deshalb erwähnt ich Griechisch. Das Prestige, welches das Griechische im Alten Rom hatte, führte dazu, dass das Lateinische im oströmischen/byzantinischen Reich nicht durchgesetzt wurde und das, obwohl zeitweise am byzantinischen Hof Latein gesprochen wurde.

[FONT="]Und ich denke hier auch an die Balkanvölker, die erst Jahrhunderte vom Ostrom beherrscht wa[FONT="]ren[/FONT], anschließend 400-500 Jahre von Türken. Sie alle behielten ihre Sprachen, wenn auch sie von der sonstigen Kultur der jeweiligen Herrscher Einiges übernommen haben. [/FONT]
Die Balkanvölker wurden zunächst romanisiert, dann slawisiert. Das Dalmatische als balkanromanische Sprache starb erst im 19. Jhdt. aus.

Aber darum ging es nicht. Es ging darum, dass das Mengenverhältnis zweier wie auch immer gearteter Völker, die aufeinandertreffen, genauso wenig wie ein etwaiges hierarchisches Verhältnis untereinander zwingend zu einer Übernahme der einen oder der anderen Sprache führt. Wenige Römer konnten den gesamten Westmittelmeerraum latinisieren. Wenigen Protobulgaren gelang es aber nicht, ihre Turksprache durchzusetzen, stattdessen nahmen sie die slawische Sprache (eines Teils) ihrer vermutlich sprachlich heterogenen (Balkanslawen, Balkanromanen, Griechen) Untertanen an.

[FONT="]Das ist klar. Dennoch denke ich, dass man da differenzieren, ja andere Maßstäbe anlegen muss, weil Sprache von Müttern weiter gegeben wird, die nicht so wie die Männer dem Assimilierungsdruck ausgesetzt sind bzw. waren. [/FONT]
Was heißt "nicht so, wie die Männer"? Weniger? Oder schlicht "auf andere Weise"?
Es gibt da interessante Modelle. Beispielswiese gibt es für Sizilien ein Modell, wonach muslimische Männer christliche Frauen heirateten, die Söhne zu Muslimen erzogen wurden und Arabisch sprachen, die Töchter zu Christinnen und Griko sprachen. (Ich halte das Modell für interessant aber nicht sehr plausibel.)

[FONT="]Ja, das mag in England so gewesen sein. Aber in Sizilien? Ich denke, den Eroberern folgten keine Siedler, d.h. es waren schlicht zu wenige Normannen – und vor allem Normanninnen - da, um ihre Sprache erhalten zu können. [/FONT]
Auf Sizilien spricht man einen sekundären italienischen Dialekt, inwieweit die Insel in römischer Zeit latinisiert war, dazu haben wir hier einen Thread:
http://www.geschichtsforum.de/f303/wie-latinisiert-war-sizilien-vor-den-labiden-44252/


[FONT=&quot]Das zeigt, dass ein Elitetransfer allein nicht die autochthone Sprache verdrängen kann.
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Richt[FONT=&quot]ig. [/FONT]
[/FONT][FONT=&quot]
[/FONT][FONT=&quot][FONT=&quot]
[/FONT] Dazu braucht man Siedler in großer Zahl. Oder man dezimiert die Träger der autochthonen Sprache wie die Römer es in Karthago gemacht haben. Dann braucht man natürlich weniger Siedler. [FONT="][/FONT]
[/FONT]
[FONT=&quot]Falsch. Wie gesagt, auf das Mengenverhältnis alleine kommt e[FONT=&quot]s n[FONT=&quot]icht an[FONT=&quot]. [/FONT][/FONT][/FONT][/FONT]Das Mengenverhältnis kann relevant sein, muss aber nicht. Römer, Araber, Slawen, Spanier in Lateinamerika sind ausreichend Beispiele dafür.
 
Was genetische Mutationen mit der Ausbreitung der Indoeuropäer zu tun haben, will mir nicht ganz einleuchten.
Die Ausbreitung dieser in Europa entstandenen Laktasepersistenzmutation (Laktosetoleranz) deckt sich gut mit der Ausbreitung der Indogermanischen Sprache.

Auf jeden Fall gibt es in Europa gute Hinweise auf eine nichtindoeuropäische Bevölkerung, die zeitweise noch in antiker Zeit existent war. So z.B. die altmediterrane Bevölkerungsschicht der Etrusker, Ligurer, Paläosarden, Sikaner, Iberer, Minoer, Hattier, vielleicht auch die legendären Pelasger in Altgriechenland.
Ja, und ihre Sprachen wurden alle von nördlich dieser Gebiete siedelnden Stämme verdrängt.
Wobei Etrusker und Minoer genetisch einen nichteuropäischen Ursprung haben.
wikipedia schrieb:
Für dieses Szenario spricht eine offensichtliche Verwandtschaft zwischen dem Etruskischen und einer auf Lemnos gefundenen, dem Frühetruskischen sprachlich nahestehenden Inschrift in lemnischer Sprache sowie gewisse Parallelen zum Lydischen.[1] Auch die künstlerische Entwicklung im frühen ersten Jahrtausend im orientalisierenden Stil zeigt erstaunliche Parallelen zum lydischen Raum. Eine Studie des Erbguts toskanischer Rinder zeigte, dass sie einst aus Kleinasien eingeführt wurden.[2] Neuere Genforschungen der Universität Turin liefern weitere Hinweise darauf, dass die Etrusker Siedler aus dem antiken Lydien gewesen sein könnten (Piazza et alii, 2007).[3] Nach Barbujani sollen die vergleichenden Untersuchungen des Erbgutes ergeben haben, dass ein Drittel der mitochondrialen Allele denen der anatolischen Bevölkerung entspreche und nicht der italischen.[4][5]Etrusker ? Wikipedia
Nach Ansicht der Forscher haben sich die Minoer zwar aus den ersten Einwanderern auf Kreta entwickelt. Diese Steinzeitmenschen kamen aber nicht aus Afrika, sondern vermutlich eher aus der Region des heutigen Anatolien.
A European population in Minoan Bronze Age Crete : Nature Communications : Nature Publishing Group
scinexx | Die Minoer kamen nicht aus Afrika: DNA-Analysen klären den Ursprung der ersten europäischen Hochkultur - Minoer, Kreta, Archäologie - Minoer, Kreta, Archäologie, Hochkultur, DNA, Minos, Knossos, Phaistos, Afrika, Ägypten, Europa, Ursprung,
 
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Die Balkanvölker wurden zunächst romanisiert, dann slawisiert.
Ja, sie wurden slawisiert. Sie übernahmen zwar die slawische Sprache, aber sie übernahmen später nicht die türkische, obwohl Türken da jahrhundertelang geherrscht haben. Dies wahrscheinlich, weil die Türken ihr Militär und ihre Beamten dorthin nur abkommandierten, die aber dort nur in seltenen Fällen siedelten. [/FONT]Sie waren schlicht zu wenige, um ihre Sprache landesweit zu etablieren. Türkisch sprach man nur in Verwaltungszentren. Eben dort fanden auch die Übertritte zum Islam statt. Weil das nur dort vom Nutzen war.


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Wenige Römer konnten den gesamten Westmittelmeerraum latinisieren.
Durch die Siedlung bei den Legionslagern und der Ansiedlung der aus dem Dienst entlassenen Legionäre, wurde nicht nur Westmittelmeerraum latinisiert, sondern auch Gebiete diesseits des Limes und der Donau. Doch anders als z.B. in Spanien und Frankreich, war das aufgrund der Germaneneinfälle und -raubzüge nicht von Dauer. Wo die romanischen Sprachen heute dominieren, gab es diese ständige Gefahr nicht. Sie konnten sich in diesen Ländern verwurzeln, so dass sich die späteren Neuankömmlinge dort (z.B. Goten, Langobarden) mit den Latein Sprechenden vermischt und nach und nach deren Sprache übernommen haben. [/FONT]


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Was heißt "nicht so, wie die Männer"? Weniger? Oder schlicht "auf andere Weise"?
Das heißt: weniger. Um Kariere in einem Staat zu machen bzw. Erfolg zu haben, muss man fast notgedrungen die Sprache der Herrschenden sprechen. Das traf früher nur auf Männer zu, da Frauen weder im Staat noch in der Wirtschaft (Handel, Handwerk) eine führende Rolle spielten. [/FONT]


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Beispielswiese gibt es für Sizilien ein Modell, wonach muslimische Männer christliche Frauen heirateten, die Söhne zu Muslimen erzogen wurden und Arabisch sprachen, die Töchter zu Christinnen und Griko sprachen. (Ich halte das Modell für interessant aber nicht sehr plausibel.)
Ich halte dieses Modell schon für plausibel. Bis in das 20. Jahrhundert hinein hat man Frauen Bildung vorenthalten. Weil man das für unnötig hielt, weil sie eh heiraten und zu Hause bleiben, wo sie sich um Kinder und Haushalt zu kümmern hatten. Und was spricht man zuhause: Muttersprache. Die Söhne aber mussten aus dem Haus, mussten sich in einer anders sprechenden, anders gläubigen Welt beweisen. [/FONT]Daher ist es glaubhaft, dass Jungs anders erzogen wurden als Mädchen.


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Wie gesagt, auf das Mengenverhältnis alleine kommt es nicht an. Das Mengenverhältnis kann relevant sein, muss aber nicht. Römer, Araber, Slawen, Spanier in Lateinamerika sind ausreichend Beispiele dafür.
Nicht nur das Mengenverhältnis ist wichtig, sondern auch die Dauer – siehe iberische Halbinsel und Frankreich. Und klar, auch ein brutales Vorgehen - wie das der Römer in Karthago oder das der Spanier in Lateinamerika – kann zum gleichen Ergebnis führen. Aber gibt es Anzeichen, dass indoeuropäische Eliten so vorgingen?[/FONT]
 
[FONT=&quot]Nicht nur das Mengenverhältnis ist wichtig, sondern auch die Dauer – siehe iberische Halbinsel und Frankreich. Und klar, auch ein brutales Vorgehen - wie das der Römer in Karthago oder das der Spanier in Lateinamerika – kann zum gleichen Ergebnis führen. Aber gibt es Anzeichen, dass indoeuropäische Eliten so vorgingen?[/FONT]

Ich bin im Thema leider nicht so bewandert, deswegen meine vielleicht dumme Frage: was wissen wir überhaupt sicher über die Indogermanen? Die Theorien zur Ethnogenese gehen davon aus, dass sie sich irgendwo entwickelt haben und dann von dort expandierten. Darüber, wo die Urheimat war und wann sie expandierten, herrscht Uneinigkeit.


Allgemein zum Thema Übernahme von Sprachen haben wir diesen Thread:

http://www.geschichtsforum.de/f72/bernahme-von-sprachen-widerstand-macht-20628/
 
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Ja, sie wurden slawisiert. Sie übernahmen zwar die slawische Sprache, aber sie übernahmen später nicht die türkische, obwohl Türken da jahrhundertelang geherrscht haben.
Und die Konsequenz daraus für deine Erklärung ist jetzt welche?

Dies wahrscheinlich, weil die Türken ihr Militär und ihre Beamten dorthin nur abkommandierten, die aber dort nur in seltenen Fällen siedelten. Sie waren schlicht zu wenige, um ihre Sprache landesweit zu etablieren.
Das waren die Römer auch.
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Türkisch sprach man nur in Verwaltungszentren. Eben dort fanden auch die Übertritte zum Islam statt. Weil das nur dort vom Nutzen war.
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[FONT=Verdana, sans-serif]Dann schau dir die Bosniaken an. Sprache: Serbokroatisch, Religion: Islam.

Durch die Siedlung bei den Legionslagern und der Ansiedlung der aus dem Dienst entlassenen Legionäre, wurde nicht nur Westmittelmeerraum latinisiert, sondern auch Gebiete diesseits des Limes und der Donau.
Natürlich. Portugal liegt auch nicht am Mittelmeer. Man muss auch verstehen wollen, was gemeint ist. Das römische Westreich.

Doch anders als z.B. in Spanien und Frankreich, war das aufgrund der Germaneneinfälle und -raubzüge nicht von Dauer.
Auch Gallien litt seit dem 3. Jhdt. unter beständigen Germaneneinfällen. Die Alamannen überschritten sogar die Pyrenäen.

Ich halte dieses Modell schon für plausibel. Bis in das 20. Jahrhundert hinein hat man Frauen Bildung vorenthalten. Weil man das für unnötig hielt, weil sie eh heiraten und zu Hause bleiben, wo sie sich um Kinder und Haushalt zu kümmern hatten. Und was spricht man zuhause: Muttersprache. Die Söhne aber mussten aus dem Haus, mussten sich in einer anders sprechenden, anders gläubigen Welt beweisen. Daher ist es glaubhaft, dass Jungs anders erzogen wurden als Mädchen.
Das trifft nicht den Kern des Modells.

Nicht nur das Mengenverhältnis ist wichtig, sondern auch die Dauer – siehe iberische Halbinsel und Frankreich. Und klar, auch ein brutales Vorgehen - wie das der Römer in Karthago oder das der Spanier in Lateinamerika – kann zum gleichen Ergebnis führen.
Siehst du dabei nicht einen Widerspruch zu dem, was du über Goten und Langobarden geschrieben hast? Oder waren das etwas freundliche Eroberer?
Hier kannst du's nochmals nachlesen.
Wo die romanischen Sprachen heute dominieren, gab es diese ständige Gefahr nicht. Sie konnten sich in diesen Ländern verwurzeln, so dass sich die späteren Neuankömmlinge dort (z.B. Goten, Langobarden) mit den Latein Sprechenden vermischt und nach und nach deren Sprache übernommen haben.
Das passt nicht zusammen. Das eine Mal versuchst du den Sprachwechsel trotz Unterzahl der Sprecher der übernommenen Sprache mit Brutalität zu erklären, das andere Mal spielt die Brutalität keine Rolle.

Und klar, auch ein brutales Vorgehen [...] Aber gibt es Anzeichen, dass indoeuropäische Eliten so vorgingen?
Von Brutalität als Grund für einen Sprachwechseln war bei mir nicht die Rede!

Es gibt einfach keine allgemeingültige Erklärung für die Vollziehung oder Nichtvollziehung eines Sprachwechsels!
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Ich bin im Thema leider nicht so bewandert, deswegen meine vielleicht dumme Frage: was wissen wir überhaupt sicher über die Indogermanen?

Nichts. Das ist ja gerade das Problem.

Weder wissen wir zuverlässig, in welchem geografischen Raum die indoeuropäische Ursprache (oder indoeuropäische Grundsprache) entstanden ist, noch wissen wir, wie es zur Ausbreitung der Sprachen und Dialekte von Zentraleuropa bis Indien kam. Die Archäologie hat hier wenig zu bieten, sodass vor allem die Sprachwissenschaft Hypothesen liefert, zuweilen auch die Genetiker. Und die sind samt und sonders umstritten.
 
[FONT=&quot]Kann das wirklich so gewesen sein? [/FONT]

[FONT=&quot]Ist es nicht vielmehr so, dass nur große fremde Kontingente (siehe z.B. Bayern) die autochthone Bevölkerung majorisieren, sprich in sich aufnahmen und auch sprachlich zum Verschwinden brachten, während kleine Gruppen, selbst wenn sie die neue Elite darstellten, sich mit der autochthonen Bevölkerung vermischten und deren Sprache übernahmen (z.B. Normannen in England und in Sizilien)?[/FONT]

Nein. Sprachwechsel liefen in der Geschichte sehr unterschiedlich ab. So eroberten die Franken Gallien und begründeten dort ihren fränkischen Staat. Dennoch gewann die Sprache der unterworfenen gallo-römischen Bevölkerung die Oberhand und im Verlauf von einigen Jahrhunderten wurde das germanische Fränkisch der Eroberer vom romanischen Idiom der Unterworfenen verdrängt.

In Kleinasien lief das anders ab. Ende des 11. Jh. wurde das Land von Turkstämmen besetzt, bis 1453 als letzte Bastion Konstantinopel fiel. Obwohl sich die alteingesessene byzantinische Bevölkerung in der Mehrheit befand, setzten die türkischen Eroberer im Verlauf einiger Jahrhunderte sowohl ihre muslimische Religion als auch ihre Sprache durch. Es kam zu einem Sprachwechsel, bei dem die christliche byzantinische Mehrheitsbevölkerung in einem längeren Prozess Sprache, Kultur und Identitä aufgab - sieht man einmal von der griechisch besiedelten Ägäisküste und den Armeniern im SO Kleinasiens ab.

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Muss man nicht zwischen Kulturtransfer und Sprachtransfer unterscheiden? Ich meine, Normanen haben schon Einiges an Kultur mitgebracht, das hinterher lange Bestand hatte, aber deren Sprache hat sich im Meer der autochthonen verloren, dies nicht zuletzt wegen Frauen, die auch unter fremden Herrschaft in der Regel sehr lange noch die eigene Sprache sprechen und damit bewahren. Es gibt ja nicht umsonst den Begriff: Muttersprache. [/FONT]

In England gab es zwei demografische Entwicklungen, die unterschiedlich verliefen. Als die Römer die Insel zu Beginn des 5. Jh. aufgaben, füllten germanische Einwanderer das Vakuum. Die besonders auf dem Land nicht durchgreifend romanisierten Kelten gaben Sprache und Kultur auf und es erfolgte ein Sprachwechsel vom Keltischen zum germanischen Idiom. Welche Stärke die germanischen Migranten hatten, ist bislang umstritten. Einige nehmen eine geringere Zahl als die alteingessesene Bevölkerung an, andere gehen davon aus, dass zahlenmäßig große Scharen germanischer Gruppen nach England einfielen. Auf jeden Fall war die kulturelle und ethnische Resitenz der keltischen Urbevölkerung nicht besonders groß, denn schon im 8. Jh. hatte sich überall englisch durchgesetzt - sieht man einmal vom keltischen Rückzugsgebiet Wales und Cornwall ab. Selbst ein keltisches Substrat, das man eigentlich im Englischen vermuten müsste, findet sich nur in geringen Spuren.

Die Normannen hingegegen, die England ab 1066 besetzten, kamen in kleiner Anzahl. Man könnte da von einem Elitetransfer sprechen, weil eine dünne hochgestellte Schicht Sprache und Kultur durchsetzen wollte. Das gelang ihr auch zunächst, denn Französisch hatte aufgrund der neuen Herren ein hohes Prestige. Dennoch setzte sich auf Dauer das Englische der Unterworfenen durch, obwohl die französische Sprache und Kultur gewaltige Spuren in England hinterließ.

Es gibt also kein einheitliches Muster, nach dem Sprach- und Identitätswechsel verlaufen. Derartige Überschichtungen und Assimilations- und Transformationsvorgänge hängen von vielen Faktoren ab und sind komplexer Natur.
 
Und die Konsequenz daraus für deine Erklärung ist jetzt welche?
Alle von den Türken unterworfene Balkanvölker haben ihre Sprache behalten, weil dort die Türken in der Minderheit waren und nicht siedelten. Das im Gegensatz zu Kleinasien, wo sie in der Mehrheit waren und auch siedelten.


Das waren die Römer auch.
Nicht so wie die Türken. Ich habe darauf hingewiesen, dass bei den Legionärslagern Siedlungen entstanden, von denen manche bis in die heutige Zeit fortbestehen. Und zweitens haben aus der Armee entlassenen Legionäre Land zugewiesen bekommen, wo sie sich niederließen, Familien gründeten, Landwirtschaft betrieben, Nachkommen zeugten, was zur Ausbreitung des Lateins beitrug. All das taten die Türken auf dem Balkan, wenn überhaupt, nur selten.


Dann schau dir die Bosniaken an. Sprache: Serbokroatisch, Religion: Islam.
Islam war wichtig, um überhaupt in den Staatsdienst treten zu können, Sprache weniger. Das galt ohnehin nur für Männer, Frauen sprachen weiter ihre (slawische) Sprache und lehrten sie ihren Kindern.


Man muss auch verstehen wollen, was gemeint ist. Das römische Westreich.
Da liegt ein Missverständnis vor: Du hast von Westmittelmeerraum gesprochen, römische Westreich reichte aber bis nach Britannien und Niederrhein.


Ich halte dieses Modell schon für plausibel. Bis in das 20. Jahrhundert hinein hat man Frauen Bildung vorenthalten. Weil man das für unnötig hielt, weil sie eh heiraten und zu Hause bleiben, wo sie sich um Kinder und Haushalt zu kümmern hatten. Und was spricht man zuhause: Muttersprache. Die Söhne aber mussten aus dem Haus, mussten sich in einer anders sprechenden, anders gläubigen Welt beweisen. Daher ist es glaubhaft, dass Jungs anders erzogen wurden als Mädchen.
Das trifft nicht den Kern des Modells.
Nicht? Wo siehst Du den Kern des Modells?


Siehst du dabei nicht einen Widerspruch zu dem, was du über Goten und Langobarden geschrieben hast? Oder waren das etwas freundliche Eroberer?
Das wechselte. Die Goten waren anfangs Verbündete der Römer, dann Feinde, dann wieder Verbündete, etc. Die Ansiedlung der Goten unter Alarich in Italien scheiterte zunächst, denn - Zitat aus Wikipedia:
„In den darauf folgenden Unruhen wurden Frauen und Kinder der barbarischen foederati in ganz Italien ermordet.“

Später gab es Theoderich den Großen, der mit seinen Ostgoten - auch foederati der Oströmer – nach Italien übersiedelte, wo sie fast gänzlich in der antiken Kultur der Römer aufgingen. Ähnlich geschah es Langobarden, deren Sprache sich jedoch nach der Einwanderung noch einige Jahrhunderte halten konnte.


Das passt nicht zusammen. Das eine Mal versuchst du den Sprachwechsel trotz Unterzahl der Sprecher der übernommenen Sprache mit Brutalität zu erklären, das andere Mal spielt die Brutalität keine Rolle.
Wie Du und Dieter schreibt, gibt es kein Muster, das für alle Fälle des Sprachwechsels anwendbar wäre. So haben die Langobarden, anders als zuvor die Goten, die wohl zu wenig Zeit hatten, um sich zu etablieren, zunächst schon einen Rückgang der bestehenden römischen Kultur bewirkt, aber nach und nach passten sie sich an, dies nicht zuletzt aufgrund der christlichen Religion, die sie übernommen haben. Aber immerhin hatte sich ihre Sprache noch 4 Jahrhunderte lang gehalten, d.h. sie ist erst im Hochmittelalter verschwunden.

Meine Theorie: Ohne ausreichend viele mitgebrachte Frauen haben zugewanderten Krieger keine Chance ihre Sprache zu bewahren, denn wenn sie in den eroberten Gebieten bleiben, zeugen sie mit einheimischen Frauen Kinder, die – vor allem Töchter! – dann hundertprozentig wieder die Muttersprache sprechen. Etc.

PS: Dass ich auf deinen Beitrag, Dieter, nicht näher einging ist keine Missachtung; es ist einfach dem Umstand geschuldet, dass ich sonst wiederholen müsste, was ich schon El Q oben geschrieben habe.
 
Meine Theorie: Ohne ausreichend viele mitgebrachte Frauen haben zugewanderten Krieger keine Chance ihre Sprache zu bewahren, denn wenn sie in den eroberten Gebieten bleiben, zeugen sie mit einheimischen Frauen Kinder, die – vor allem Töchter! – dann hundertprozentig wieder die Muttersprache sprechen. Etc.

Warum sollten die Töchter nur die Muttersprache und nicht die Vatersprache sprechen? Und die Söhne? Nur die Vatersprache?

Ich möchte als Gegenbeispiel Südamerika bringen. Irgendwo habe ich gelesen, dass man anhand von genetischen Untersuchungen in Kolumbien (Medellín?) herausgefunden hat, dass die Bevölkerung in weiblicher Linie von der amerikanischen Urbevölkerung zumeist (>90 %) abstammt, während sie in männlicher Linie von Europäern (>90 %) abstammt. Das wird so interpretiert, dass die aus Europa (vor allem Spanien) stammenden Eroberer sich mit Frauen aus der einheimischen Bevölkerung fortgepflanzt haben. Die entstehende Bevölkerung war ein Misch aus Europäern und Indianern in der ersten Generation. Gesprochen wurde in den von den Spaniern gegründeten Siedlungen und Kolonialstädten Spanisch.

ah, hier war's:

An even more remarkable history, says Reich, is told in the genes of the men and women living in Medellín, Colombia. Most Americans associate Medellín with the drug cartels of that isolated region. But the remoteness has also preserved a genetic legacy that can be traced to the conquistadores. As described in a paper by Andrés Ruiz-Linares of University College London, the Y-chromosomes of men in Medellín are 95 percent European, while the mitochondrial DNA of the women is 95 percent Native American. Spanish men and Native American women created a new population—confirming the recorded history of the region.

Who Killed the Men of England? | Harvard Magazine Jul-Aug 2009


Mit Kolumbien sind wir von den Indogermanen schon ganz weg, andererseits ist Spanisch auch eine indogermanische Sprache und hier kann man zeigen, dass in Südamerika eine Sprachübernahme auch von der indigenen Bevölkerung vollzogen worden ist. Es mag noch einige geographisch isolierte Regionen geben, in denen Indiovölker ohne Kontakte mit der sog. Zivilisation leben, aber die meisten dürften entweder auf das Spanische bzw. Portugiesische gewechselt sein oder zweisprachig sein.
 
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Alle von den Türken unterworfene Balkanvölker haben ihre Sprache behalten, weil dort die Türken in der Minderheit waren und nicht siedelten. Das im Gegensatz zu Kleinasien, wo sie in der Mehrheit waren und auch siedelten.

Dabei übersiehst du aber einen Punkt: Als die Seldschuken im 11. Jhdt. mit einigen hunderttausend Mann in Kleinasien mit ihren Tierherden einsickerten, dürfte die griechische Bevölkerung des verstädterten Kleinasiens mehrere Millionen Seelen umfasst haben. Auch hier waren die Türken also in der Minderheit. Allerdings hatten sie vielmehr Zeit, Kleinasien zu turkisieren als etwa den Balkan, der ja nie zum seldschukischen und kürzer zum osmanischen Herrschaftsgebiet zählte. Hinzu kommen dann noch die Nationalstaatsbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts, die zu blutigen Bürger- und Befreiungskriegen führten und dann schließlich auch zu ethnischen Säuberungen sowohl in der Türkei als auch auf dem Balkan mit den entsprechenden Bevölkerungsverschiebungen. Bedeutende Wellen der Phanariotenauswanderung aus der Türkei fanden erst 1923 und 1955 statt.

Nicht so wie die Türken. Ich habe darauf hingewiesen, dass bei den Legionärslagern Siedlungen entstanden, von denen manche bis in die heutige Zeit fortbestehen. Und zweitens haben aus der Armee entlassenen Legionäre Land zugewiesen bekommen, wo sie sich niederließen, Familien gründeten, Landwirtschaft betrieben, Nachkommen zeugten, was zur Ausbreitung des Lateins beitrug. All das taten die Türken auf dem Balkan, wenn überhaupt, nur selten.
Das tut ja gerade so, als habe es nach römischer Koloniegründung gar keine einheimische Bevölkerung mehr gegeben... Eigentlich geht man eher - und für Gallien und Spanien konnte man das auch relativ plausibel nachweisen, von einer allmählichen Romanisierung zunächst der alten Stammes- und nun Funktionseliten und allmählich erst der Bevölkerung aus.


Nicht? Wo siehst Du den Kern des Modells?
Der Kern des Modells ist - wie gesagt, ich halte es für nicht plausibel, gebe es nur weiter - dass es eine Art unausgesprochenen Gesellschaftsvertrag gab, wonach Söhne interreligiöser Verbindungen Muslime wurden und Arabisch lernten, Töchter dagegen eine christliche Erziehung genossen und Griko oder ggf. eine italoromanische Sprache als Muttersprache lernten. Es geht hierbei nicht um Bildung sondern um religiöse Zugehörigkeit. Ich sehe in diesem Modell mehr Probleme als Lösungen. Vor allem dürfte es schwierig sein, im Praxistest zu bestehen.


Das wechselte. Die Goten waren anfangs Verbündete der Römer, dann Feinde, dann wieder Verbündete, etc. Die Ansiedlung der Goten unter Alarich in Italien scheiterte zunächst, denn - Zitat aus Wikipedia:
„In den darauf folgenden Unruhen wurden Frauen und Kinder der barbarischen foederati in ganz Italien ermordet.“
Du weichst der eigentlichen Antwort auf die Frage aus: Deine Ur-Hypothese war: Sprachen setzen sich deshalb durch, weil die Bevölkerung der Sprache die sich nicht durchsetzt im Meer der Mehrheitsbevölkerung schlicht verloren geht.
Es gibt aber zahlreiche Beispiele, wo das einfach nicht stimmt (Araber, Römer, Slawen, Türken). Du hast daraufhin eine Hilfshypothese gebildet: Wenn sich die Sprache der Minderheit durchsetzte, dann wurde sie mit Gewalt durchgesetzt. Dementsprechend müssen Goten, Langobarden, Franken, Rugier, Skiren, Sueben und Vandalen richtig nette Leute gewesen sein, denn sie konnte sich ja sprachlich nicht durchsetzen.

Später gab es Theoderich den Großen, der mit seinen Ostgoten - auch foederati der Oströmer – nach Italien übersiedelte, wo sie fast gänzlich in der antiken Kultur der Römer aufgingen. Ähnlich geschah es Langobarden, deren Sprache sich jedoch nach der Einwanderung noch einige Jahrhunderte halten konnte.
Da sollte man doch meinen, Norditalien sei sogar zweimal germanisiert worden, erst von den Ostgoten, dann von den Langobarden (Skiren und Westgoten unterschlage ich mal). Ma niente.

Wie Du und Dieter schreibt, gibt es kein Muster, das für alle Fälle des Sprachwechsels anwendbar wäre.
Danke!

So haben die Langobarden, anders als zuvor die Goten, die wohl zu wenig Zeit hatten, um sich zu etablieren, zunächst schon einen Rückgang der bestehenden römischen Kultur bewirkt, aber nach und nach passten sie sich an, dies nicht zuletzt aufgrund der christlichen Religion, die sie übernommen haben.
Die Germanen waren - bis auf die Franken - zunächst Arianer und nicht Katholiken, bei einem Disput zwischen arianischen und katholischen Geistlichen behauptete sogar der vandalische Bischof Cyrila "Nescio latine" (ich kann kein Latein!), was natürlich eine glatte Lüge war... Wulfilas BibelÜS - Wulfila war auch Arianer - lag auf Gotisch vor, der Codex von Uppsala (Codex Argenteus) als wichtigstes Zeugnis der BibelÜS des Wulfila ist nach allgemeiner Auffassung unter Theoderich dem Großen in Norditalien hergestellt worden, die christliche Religion kann es also nicht gewesen sein, welche die Goten zum Gebrauch des Lateinischen bewegte.

Aber immerhin hatte sich ihre Sprache noch 4 Jahrhunderte lang gehalten, d.h. sie ist erst im Hochmittelalter verschwunden.
Die einzigen Zeugnisse des Langobardischen, die mir bekannt sind, und schon da ist nicht völlig klar, ob es Zeugnisse eines lebendigen Langobardischen oder eine fossilisierten Rechtsnorm sind (außer Eigennamen, aber wenn man die zugrundlegte, wären Portugal und Spanien bis heute germanischsprachig) stammen aus der ersten Hälfte des 7. Jhdts.

Meine Theorie: Ohne ausreichend viele mitgebrachte Frauen haben zugewanderten Krieger keine Chance ihre Sprache zu bewahren, denn wenn sie in den eroberten Gebieten bleiben, zeugen sie mit einheimischen Frauen Kinder, die – vor allem Töchter! – dann hundertprozentig wieder die Muttersprache sprechen. Etc.
Und dies galt für die Römer nicht? Oder für die Spanier in Lateinamerika? Gerade da ist ja die Belegsituation, was die Mestizaje zwischen Conquistadoren und Einheimischen angeht, geradezu luxuriös...
 
Irgendwo habe ich gelesen, dass man anhand von genetischen Untersuchungen in Kolumbien (Medellín?) herausgefunden hat, dass die Bevölkerung in weiblicher Linie von der amerikanischen Urbevölkerung zumeist (>90 %) abstammt, während sie in männlicher Linie von Europäern (>90 %) abstammt. [...]
ah, hier war's:
Who Killed the Men of England? | Harvard Magazine Jul-Aug 2009
Genetische Studien hierzu sind mir unbekannt. Die historischen Quellen sprechen aber - insbesondere für das 16. Jhdt. - dieselbe Sprache. Frauen wurden aus Spanien kaum mitgeführt und blieben dann meist in der Karibik hängen. Dagegen haben wir schon recht früh nachgewiesene Kontakte zwischen Conquistadoren und einheimischen Eliten. So hatte der spanische Dichter Garcilaso de la Vega einen gleichnamigen Cousin, den man el Inca nennt, ein wichtiger Historiograph, der Sohn eines Conquistadors unter Pizarro, also wirklich eines Conquistadors der ersten Stunde und einer Coya (= "Inkaprinzessin") war. Die Maya-Indianerin Malintzín/Malinche, die Cortes als Übersetzerin diente, und auch sehr schnell das Nahua lernte (manche nehmen an, dass sie eigentlich Zentralmexikanerin war, die bei den Maya als Sklavin lebte, alsp Nahua nicht erst lernen musste) unterhielt, bevor sie mit Cortes eine Beziehung einging, zuvor mit einem seiner Untergebenen ein Verhältnis. Der war bei einem spanischen Schiffbruch vor Yucatán in Gefangenschaft geraten und wurde von Cortes befreit. Er war zunächst der ÜS von Cortes mit den Maya, bevor die offenbar sehr sprachbegabte Malintzín ihn ersetze.
Im Indienarchiv in Sevilla gehen die Zeugnisse vom Frauenmangel (was Spanierinnen angeht) und von den Beziehungen mit einheimischen Frauen in die hunderttausende. Hinzu kommen noch die flüchtigen und erzwungenen sexuellen Beziehungen, die ja auch ihren Niederschlag im Genpool gefunden haben.
 
Ich möchte Dions Überlegung zur Sprachweitergabe durch Mütter und Väter einige Überlegungen beigeben:

Zunächst einmal setzt dieser Gedanke voraus, dass die Männer wesentlich stärker in die gesellschaftliche Interaktion eingebunden sind als die Frauen, was wiederum damit korrespondiert, dass Männer eine Vorherrschaft über Frauen ausüben. Ich vermute, dass dies für sehr viele Settings zutreffen wird, jedenfalls dürfte dies in den hier betrachteten historischen Beispielen als gesichert gelten.

Wenn nun die Männer innerhalb der Familien Herrschaft über die Frauen ausüben, kann es sein, dass sie von ihren Frauen verlangen, die Sprache der Männer zu lernen und insbesondere den Kindern keine andere Sprache beizubringen. Ob die Männer dies von sich aus verlangen, wird von ihrer Selbstwahrnehmung abhängen.

Es kann zudem auch von den Machtstrukturen und politischen Zielen abhängen, denen die Männer selbst unterworfen sind:

Mitunter verlangt eine politische Führung, dass alle Unterworfenen die Regierungssprache lernen. Es mag auch politische Führungen geben, die genau das verhindern wollen, um Menschen von Herrschaft und Wissen fern zu halten. Wieder anderen Regierungen mag das egal sein.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist ein Bildungssystem. Gibt es so etwas wie Unterricht, so führt dieser zur Stärkung der Sprache, in der alphabetisiert oder auch nur mündlich unterrichtet wird. So würde ich vermuten, dass die schnelle Verbreitung des Islam zugleich Arabisch in vielen Bevölkerungen durchgesetzt hat, da der Islam auf Arabisch unterrichtet werden sollte. Trotzdem sind nicht alle islamisierten Bevölkerung auch arabisiert worden. Es gibt eben auch entgegengesetzt Effekte, die mitunter stärker waren.

Ich sehe das erst einmal ganz grundsätzlich und abstrakt. Wie das nun mit dem Indogermanischen war? Gute Frage.
 
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