I Das Christentum, wie wir es heute kennen, ist ein Mischmasch aus dem Mithraskult bzw. dem Kult des sol invictus, und verschiedenen anderen antiken Kulten, so vor allem dem der magna mater, unter Ausschluss des Judentums.
Eine höchst interessante und diskussiondwürdige Behauptung, finde ich. Was ist Wahres daran?
Zunächst: Beide Religionen, Mithraskult und Christentum, kamen aus dem Orient und verdankten ihren Aufstieg sowohl der einheitlichen römischen Reichsstruktur als auch dem moralischen Chaos im römischen Imperium. Die Ausbreitung von Christentum und Mithraskult vollzog sich mit großer Geschwindigkeit und schon Ende des 2. Jh. gab es Anhänger beider Religionen in allen Teilen des Reichs.
Ähnlich waren sich Mithraskult und Christentum darin, dass sie ihre Anhänger anfangs vor allem in den unteren Gesellschaftsschichten fanden, sie sich eher an das Volk als an die Intellektuellen wandten und dabei mehr die Emotion als an den Intellekt ansprachen.
Auch im liturgischen Ritual gab es unübersehbare Gemeinsamkeiten. So z.B. die Taufe, durch die sich sowohl Mithrasjünger als auch Christen rituell reinigten, eine Firmung, die das Böse fernhalten sollte, und eine Kommunion, welche Körper und Seele Glück und Segen bringen sollte.
Beide Religionen hielten den Sonntag heilig und feierten die Geburt der Sonne am 25. Dezember, d.h. an jenem Tag, an dem die Christen spätestens seit dem 4. Jh. Weihnacht feierten.
Ähnlich waren auch die Moralvorstellungen beider Religionen, die Verzicht auf Ausschweifungen, sexuelle Enthaltsamkeit und Disziplin im täglichen Leben für verdienstvoll hielten. Ferner glaubten beide Religionen an einen überirdischen Himmel, den Glückselige bevölkerten, und an eine tiefe Hölle, in der Dämonen hausten.
Ein ganz wichtiger Aspekt, der Christentum und Mithraskult miteinander verband, war schließlich die Unsterblichkeit der Seele, die Auferstehung der Toten und ein Jüngstes Gericht, das gute und böse Taten gegeneinander aufwog. Sowohl Christus als auch Mithras galten als Mittler zwischen Gott und den Menschen.
Der bereits zitierte Mithras-Spezialist
Franz Cumont sagt dazu:
Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Religionen war so groß, dass sie im Altertum selbst allgemein auffiel. Seit dem 2. Jh. zogen die griechischen Philosophen zwischen den persischen Mysterien und dem Christentum eine Parallele, die natürlich zum Vorteil der ersteren ausfiel. Die Apologeten betonen ihrerseits ebenfalls die Analogien zwischen den beiden rivalisierenden Religionen und erklären sie durch satanische Nachäffung der heiligsten Riten ihres Glaubens.
Wären uns die polemischen Schriften der Mithriasten erhalten geblieben, so würden wir ohne Zweifel gewahren, dass sie denselben Vorwurf gegen ihre Gegner schleuderten.
(Franz Cumont, Die Mysterien des Mithra, Darmstadt 1975, S. 183, Wissenschaftliche Buchgeselschaft)
Woher die Ähnlichkeiten zwischen beiden Religionen kamen, lässt sich nach
Cumont heute nicht mehr eindeutig entscheiden:
Wir dürfen heute nicht mehr daran denken, eine Frage zu entscheiden, deren Beantwortung schon die Zeitgenossen in zwei feindliche Lager trennte, und die zweifellos niemals gelöst werden wird. Wir kennen die Dogmen und die Liturgie des römischen Mazdaismus und ebenso die Geschichte des Urchristentums zu ungenügend, um beurteilen zu können, unter welchen wechselseitigen Einflüssen ihre gleichzeitige Entwicklung sich vollzogen hat.
Überdies setzt Ähnlichkeit nicht unbedingt Nachahmung voraus. Viele Übereionstimmungen zwischen der mithrischen Lehre und dem katholischen Glauben erklären sich aus ihrem gemeinsamen orientalischen Ursprung.
Gewisse Ideen, gewisse Zeremonien müssen trotzdem aus dem einen Kultus in den anderen verpflanzt sein, aber meist mutmaßen wir diese Anleihen mehr, als dass wir sie deutlich bemerken.
(Franz Cumont, a.a.O., S. 183 f.)